Shannara V
und unkompliziert vorkam, erschien ihr als das glatte Gegenteil. Sie bestand darauf, daß diese Dummköpfe mitkamen - der Einarmige, der Hochländer und der alte Fährtensucher. Nichtsnutze! Überflüssiger Ballast! Wie lange würde er sie noch ertragen müssen?
Er fühlte, wie der Ärger wieder in ihm aufzuschwellen begann. Geduld. Ihr Wort, nicht seines - aber er tat besser daran, es an sich auszuprobieren.
Er lauschte auf die Geräusche der Urdas draußen, mehr als ein Dutzend Wächter, die im Dunkel um die Hütte herum lauerten. Er konnte sie nicht sehen, doch er spürte ihre Gegenwart. Sein Instinkt sagte ihm, daß sie dort waren. Bislang noch kein Zeichen von dem Sänger - aber das spielte keine Rolle. Die Urdas würden sie nicht gehen lassen.
So viele Ablenkungen von dem, was einzig wichtig war!
Seine scharfen Augen richteten sich eine Weile auf Dees. Dieser Alte. Er war der Schlimmste in dem Haufen, der, der am schwierigsten zu durchschauen war. Er hatte so etwas an sich …
Er fing sich wieder. Geduld. Abwarten. Die Ereignisse würde zweifellos fortfahren, ihn zu provozieren, die Geduld zu verlieren, aber er mußte durchhalten. Er mußte die Kontrolle bewahren.
Nur war das hier so schwer. Dies war nicht sein Land, es war nicht sein Volk, und die Vertrautheit mit Land und Leuten, mit Verhalten und Sitten, auf die er immer mit Selbstverständlichkeit hatte bauen können, fehlte hier. Er bewegte sich auf einer Klippe, die er nie zuvor gesehen hatte, und das Gelände war heimtückisch.
Vielleicht würde es sich diesmal als unmöglich erweisen, die Kontrolle zu bewahren.
Er schüttelte mißmutig den Kopf. Dieser Gedanke blieb und ließ sich nicht vertreiben.
Mitternacht war verstrichen, als Carisman wieder erschien.
Quickening weckte Morgan, indem sie ihn mit der Hand an der Wange berührte. Er sprang auf und sah, daß die anderen schon aufgestanden waren. Die Tür ging auf, und der Sänger schlüpfte herein.
»Ah, ihr seid wach. Gut.« Er ging sofort zu Quickening hinüber, zögerte zu sprechen, war in ihrer Gegenwart verunsichert wie ein Junge, der etwas beichten muß, das er lieber für sich behalten hätte.
»Was hat der Rat beschlossen, Carisman«, spornte Quickening ihn freundlich an, faßte seinen Arm und zog ihn herum, so das er sie anschauen mußte.
Der Sänger schüttelte den Kopf, »Lady, das Beste und das Schlimmste, muß ich leider sagen.« Er schaute die anderen an. »Ihr seid allesamt frei fortzugehen, wann immer ihr wollt.« Dann wandte er sich wieder zu Quickening. »Außer dir.«
Morgan fiel augenblicklich wieder ein, in welcher Weise die Urdas Quickening angeschaut hatten, und erinnerte sich, wie fasziniert sie von ihr gewesen waren. »Wieso?« fragte er hitzig. »Warum wird sie nicht auch freigelassen?«
Carisman schluckte. »Meine Untertanen finden sie wunderschön. Sie glauben, sie könne magisch sein, so wie ich. Sie … sie wollen, daß sie mich heiratet.«
»Na hör mal! Was ist denn das für eine wilde Geschichte?« fauchte Horner Dees, und sein borstiges Gesicht verzerrte sich ungläubig.
Morgan packte Carisman am Kittelkragen. »Ich habe genau gesehen, wie du sie anschaust, Sänger! Das war deine Idee!«
»Nein, wirklich nicht! Ich schwöre es!« rief er verzweifelt mit entsetztem Gesicht. »So etwas würde ich nie tun. Die Urdas …«
»Den Urdas ist es völlig egal …«
»Laß ihn los, Morgan«, unterbrach Quickening mit leiser, ungerührter Stimme. »Er sagt die Wahrheit. Er kann nichts dafür.«
Pe Ell schnellte hervor wie die Schneide eines Messers. »Spielt keine Rolle, wer dafür verantwortlich ist.« Er fixierte Carisman. »Sie kommt mit uns.«
Carisman wurde bleich, und er schaute verängstigt von einem zum anderen. »Sie werden sie nicht gehen lassen«, flüsterte er und senkte den Blick. »Und wenn sie sie nicht lassen, dann wird sie da enden, wo ich bin.«
Er begann zu singen:
»Es war einmal vor langer Zeit ein wunderschönes Mädchen.
Sie wanderte durch Wald und Feld,
zu Hause in der ganzen Welt.
Ein mächt’ger Herr verliebte sich und wollte sie zum Weibe.
Sie wollt’ ihn nicht, er nahm sie heim,
in seinen Turm sperrt’ er sie ein.
Sie grämte sich und trauerte
um das verlor’ne Leben.
Für ihre Freiheit wollte sie
ihr Hab und Gut hergeben.
Ein Kobold hörte ihren Eid und öffnete den Zwinger.
Mitnichten ließ er sie dann frei,
ihr Flehen war ihm einerlei,
er nannte sie sein eigen.
Und die Moral von der
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