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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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lächelnd. »Was machst du hier? Du siehst prächtig aus! Wie geht’s dir, Mann?«
    »Kein Problem, baba! Bilkul fit, hain!« Bin absolut fit!
    »Hast du schon gegessen? Möchtest du einen Chai?«
    »Danke, nein, baba. Bin spät dran für ein Treffen.«
    »Achcha?«, murmelte ich. Ach ja?
    Er beugte sich vor und flüsterte: »Ist ein Geheimnis, aber ich weiß, dass ich dir vertrauen kann, Linbaba. Wir treffen uns mit ein paar Typen, die mit Sapna arbeiten, dem König der Diebe.«
    »Was?«
    »Ja«, flüsterte er. »Diese Typen, die kennen Sapna wirklich. Sie sprechen fast jeden Tag mit ihm.«
    »Das ist unmöglich«, sagte ich.
    »Oh doch, Linbaba. Sie sind seine Freunde. Und wir bilden eine Armee – die Armee der Armen. Wir werden diesen Muslimen schon zeigen, wer wirklich das Sagen hat in Maharashtra! Dieser Sapna, er hat den Mafia-Boss Abdul Ghani umgebracht und die Teile der Leiche in seinem eigenen Haus verstreut! Und die Muslime, danach werden sie lernen, uns zu fürchten. Ich muss los. Wir sehen uns sicher bald, bestimmt. Wiedersehen, Linbaba!«
    Er flitzte davon. Ich ging weiter und geriet unversehens in eine bedrückte zornige Stimmung. Und dann nahm mich die Stadt, Bombay, mein Mumbai, wieder auf ihren stärkenden breiten Rücken, wie sie es immer tat. Ich fand mich am Rande einer andächtigen Menge wieder, die sich um die neue große Hütte der Blauen Schwestern versammelt hatte. Vor der Hütte saßen oder knieten Männer und Frauen im Halbkreis, die hinteren Zuschauer standen. Und dort in der Tür, von Lampenlicht umgeben wie von einem Heiligenschein, umweht von bläulichen Schwaden des Räucherwerks, saßen die Blauen Schwestern selbst. Heiter und milde. Von innen heraus leuchtend. Der Frieden und das Mitgefühl, die Liebe und Großmut, die sie ausstrahlten, waren so stark, dass ich in meinem gebrochenen heimatlosen Herz gelobte, sie zu lieben, so wie es jeder Mann und jede Frau taten, die ihnen begegneten.
    In diesem Augenblick zupfte mich jemand am Ärmel, und als ich mich umschaute, erblickte ich den Geist eines riesig breiten Lächelns an einem sehr kleinen Mann. Der Geist schüttelte mich, begeistert grinsend, und ich umarmte ihn und berührte rasch seine Füße, der traditionelle Gruß für Mutter und Vater. Es war Kishan, Prabakers Vater. Er erklärte mir, dass er mit Prabakers Mutter Rukhmabai bei Parvati Urlaub mache.
    »Shantaram!«, schalt er mich, als ich auf Hindi losredete. »Hast du dein schönes Marathi ganz vergessen?«
    »Entschuldige, Vater!«, lachte ich und wechselte zu Marathi. »Ich freue mich nur so sehr, dich zu sehen. Wo ist Rukhmabai?«
    »Komm!«, sagte er, nahm mich bei der Hand wie ein Kind und führte mich durch den Slum.
    Wir kamen zu der kleinen Gruppe von Hütten, zu der auch meine gehörte, um Kumars Chai-Shop unweit des Meers, und fanden dort Johnny Cigar, Jeetendra, Qasim Ali Hussein und Josephs Fraus Maria vor.
    »Gerade haben wir von dir gesprochen!«, rief Johnny, als ich allen die Hände schüttelte. »Gerade haben wir gesagt, dass deine Hütte wieder leer ist – und haben vom Feuer geredet, an diesem ersten Tag. Das war wild, na ?«
    »Ja, das war es«, murmelte ich und dachte an Raju und die anderen, die durch die Flammen zu Tode gekommen waren.
    »Soso, Shantaram«, sagte eine Stimme hinter mir vorwurfsvoll, »bist du nun so ein mächtiger Mann, dass du nicht mehr sprichst mit deiner einfachen Dorfmutter?«
    Ich drehte mich um und erblickte Rukhmabai, die zu uns getreten war. Ich bückte mich, um ihre Füße zu berühren, doch sie hielt mich zurück und fasste meine Hände. Ihr liebevolles Lächeln wirkte wehmütiger und älter, und der Kummer hatte Grau in ihr dichtes schwarzes Haar gestreut. Aber es wuchs wieder. Das lange Haar, das zu Boden gefallen war wie ein sterbender Schatten, wuchs wieder nach, und es sah kraftvoll und lebendig aus.
    Rukhmabai wies mit dem Blick auf die Frau in weißer Trauerkleidung, die neben ihr stand. Es war Parvati, und ein kleiner Junge war bei ihr, der sich Schutz suchend an ihrem Sari festhielt. Ich begrüßte Parvati, und als ich mich dem kleinen Jungen zuwandte, war ich so erschrocken, dass mir die Kinnlade herunterklappte. Ich blickte in die Gesichter der Erwachsenen, und alle lächelten mich an und wiegten andächtig den Kopf, denn das Kind sah Prabaker zum Verwechseln ähnlich. Dieser kleine Junge war das exakte Ebenbild des Mannes, den wir alle mehr geliebt hatten als jeden anderen. Und als der Kleine mich anlächelte,

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