Das Liebesspiel
Zunder
LUCE
Oktober 1957
– Erzähl, sagt sie.
Er schaut hinüber zur Wand, zur schmutzigen Fensterscheibe, zum zerrissenen Himmel.
Er kann ihren Atem riechen, er riecht das nasse Leder am Kragen seines Mantels, unter ihr auf dem Boden ausgebreitet, er spürt ihren Blick auf seinem Gesicht, erwartungsvoll.
– Wird langsam spät, meint er.
– Erzähl, sagt sie erneut.
Und er denkt an den Fisch, den er am Morgen im Bach an der Drift Road gesehen hat, an den langen, blassen Leib unter dem ausgewaschenen Ufer, der sich heimwand, träge wie der Schatten selbst.
Erkennen durchfuhr ihn wie ein Stich. Obwohl er die Köderschnur in der Hand hielt, ließ er sie nicht ins Wasser fallen. Etwas an der Bewegung dieses Fisches, an seiner wirbellosen Trägheit, erinnerte ihn an sie. Das könnte er ihr nun erzählen. Oder eine andere hohle Geschichte.
– Du hast wieder diesen Iltisblick, sagt sie mit spöttischer Stimme. Hast du dir einen neuen tätowierten Vogel ausgeguckt, den du dir greifen willst?
Er macht ein finsteres Gesicht und sie lacht.
– Für dich, Luce Weld, bin ich gut genug.
– Für dich, Ada, bin ich gut genug.
Ausgestreckt liegt sie neben ihm, einen Arm über den Kopf gelegt, durch ihre blasse Haut sieht er die geschwungenen Rippen, daneben die schwarze Lache ihres Haars. Nach einer Pause sagt sie:
– Silas weiß Bescheid. Hat neulich nachts gesagt, wenn er uns jemals erwischen würde, würde er dir das Hirn wegpusten und mich an den Füßen aufhängen, vom Kopf bis zum Schritt aufschlitzen und ausnehmen wie ein Reh.
Sie sagt es mit ruhiger Stimme und ihr Blick schweift zu ihm hinüber. Sie lauert auf ein Zucken von ihm. Es erregt sie.
– Ich hab’s dir angetan, was, alter Mann? Sie lacht.
Wieder schaut er zum Fenster hinüber. Die Sonne, tiefer nun, blendet ihn, aber der Himmel, dieses Blau, ist immer noch still und klar, als sei jede Farbe ausgewrungen.
Er lässt sich ihre Worte durch den Kopf gehen – ihr Mann, die Drohung, ihr Tonfall. Er könnte ihr sagen, dass dieser schäbige Raum, in dem sie sich treffen, ihre gelegentlichen Schäferstündchen, diese gestohlene Zeit, eine oder höchstens zwei Stunden, dass dies der Ort ist, wo er lebendig ist. Abgesehen vielleicht von den Fahrten, die er samstags nachmittags mit seiner Tochter Jane unternimmt, ist jede andere Minute, Stunde, jeder Tag der Woche nichts als verschwendete Zeit.
Er dreht sich eine Zigarette, zündet sie an. Ada streckt die Hand aus, er reicht sie ihr, Rauchwolken schweben durch den Raum, vereinen sich. Sie schnippt die Asche auf den Boden.
Nicht mehr lange, dann wird sie gehen. Aufstehen, sich anziehen, mit der Hand durchs Haar fahren, verschwinden. Aber er wird bleiben. Wenn sie schon lange fort ist, wird sein Körper leer sein, alles wird fehlen, ihm bleibt nur der schwache Duft von ihr auf seiner Haut, dieser funkelnde Rest, und so wird er mit dem Rücken an der Wand in der Ecke sitzen, eine Zigarette nach der anderen rauchen, während der Himmel dunkel wird und die Nacht sich senkt. Er wird sie näher kommen fühlen, wie eine Kreatur wird die Nacht durchs Fenster steigen und über den Boden auf ihn zukriechen. Sie wird an seinen Stiefeln lecken und höher schwappen, über seine Füße, seine Knie, seine Hände, er wird die Augen schließen und sie glatt und kühl an seinem Schädel spüren. Seine Gedanken an Ada werden toben in dieser Nacht.
Jetzt mustert sie ihn, den Ellenbogen aufgestützt, den Kopf in die Hand gelegt, auf ihrem Körper ein Lichtfleck. Luce findet ihn ordinär, sudelig, so als sei ihr Körper ein Globus und das Licht sei aufgemalt. Er sieht die wenigen dunklen Stoppeln in ihrer Achselhöhle, die sich an seinen Mantel schmiegt, und ihre Augen ruhen immer noch auf ihm, dieser gewisse Blick, den er noch bei niemandem außer ihr gesehen hat.
Zuvor hatte er sich zu ihr vorgebeugt. Hatte einen Perlmuttknopf ihrer Bluse zwischen die Zähne genommen und ihn abgebissen. Ein billiger, dünner Stoff. Aber sie war wütend geworden und hatte den Knopf beiseitegeschnippt.
Jetzt streicht er ihr übers Gesicht, über den vortretenden Knochen neben ihrem Auge, fährt sacht mit dem Finger darüber.
– Erzähl, sagt sie erneut, jetzt mit ungeduldiger Stimme, ein schwacher Unterton, alles andere als freundlich.
Er lässt die Hand sinken. Sie ist mehr als wütend. Zu spät. Er wird es ihr niemals sagen.
– Ich will raus hier, sagt sie. Fahren wir durch die Gegend.
Sie drückt die Zigarette, die er ihr
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