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Sie haben mich verkauft

Sie haben mich verkauft

Titel: Sie haben mich verkauft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Kalemi
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dem ich drei Monate blieb, bis es mir gut genug ging und meine Eltern mich nach Hause holen konnten. Sie nannten mich Oxana.
    Wir wohnten in einer Stadt namens Simferopol in der Ukraine, die damals noch Teil der Sowjetunion war, und im Vergleich zu vielen anderen in dem kommunistischen Land waren meine Eltern reich. Mein Vater war Lastwagenfahrer, und meine Mutter arbeitete in einem Kinderhort. Sie hatten sich während der Ausbildung kennengelernt, und meine Mutter war gerade siebzehn geworden, als sie heirateten und mein Bruder Vitalik zur Welt kam. Sechs Jahre später wurde ich dann geboren, und wir wohnten zusammen in einemriesigen Wohnblock mit über sechshundert Wohnungen. Wir hatten Glück, denn wir hatten drei Zimmer und einen großen Balkon und konnten es uns leisten, jeden Tag Fleisch zu essen. Meine Mutter war zierlich und wunderschön, und sie roch nach einem Parfüm namens Rotes Moskau . Sie war eine ausgezeichnete Köchin, und sonntags war es am schönsten, weil wir da Geflügelleber oder Lamm mit heller Soße und Zwiebeln bekamen und hinterher Plätzchen oder Kuchen. Für mich war es der schönste Tag in der Woche, denn wir lachten viel zusammen, und meine Eltern mussten nicht arbeiten.
    Aber all das änderte sich, als mein Vater seine Stelle aufgab und eine eigene Autowerkstatt eröffnete. Auf einmal war meine Welt nicht mehr so sorglos. Ich weiß nicht, was zuerst kam – die Eifersucht meines Vaters oder die Nächte, in denen meine Mutter allein ausging –, aber kurz danach begann es jedenfalls mit den Schlägen. Ich lag im Bett, hörte zu und betete, Gott möge mich beschützen. Papa war wie ein wilder Stier, der sich nicht beherrschen konnte, und Mama mochte einfach nicht den Mund halten. Ich horchte auf den furchtbaren Lärm ihrer Streitereien und wünschte, sie würden aufhören, und dabei hatte ich Angst, es sei womöglich meine Schuld, dass sie nicht mehr glücklich waren.
    Der Lärm aus unserer Wohnung muss schrecklich gewesen sein, aber es hat sich nie einer in die Streitereien meiner Eltern eingemischt, denn alles, was zwischen einem Mann und seiner Frau ablief, wurde als Privatsache angesehen. Außerdem gab es in unserem Wohnblock etliche Familien wie meine, und wenn eine Frau verheiratet war, ging es keinen etwas an, was der Mann mit ihr machte. Schließlich waren es ja die Frauen, die die Männer provozierten – wenn sie Widerworte gaben, bekamen sie Prügel, wenn sie kurze Röcke trugen, waren sie ein Flittchen, das verdiente, was es bekam.Eines Tages klingelte ein Polizist und setzte sich mit meinem Vater in die Küche. Als er ging, hatte Papa ein Dokument unterzeichnet, in dem er sich verpflichtete, meine Mutter nicht mehr anzurühren, aber was ist schon ein Stück Papier, verglichen mit einer kräftigen Faust? Nichts konnte den Riss zwischen meinen Eltern kitten.
    »Er ist ein Mistkerl«, sagte meine Mutter oft zu mir, wenn wir in dem Schlafzimmer lagen, das wir uns teilten. Vitalik hatte das andere Schlafzimmer, während mein Vater im Wohnzimmer schlief. »Ich werde ihn verlassen. Du kannst mit mir kommen, Oxana, wir beide werden zusammen glücklich sein.«
    Ich wollte, dass wir glücklich waren, aber ich wollte auch, dass wir alle zusammenblieben. Ich liebte meinen Papa, obwohl er die ganze Zeit so wütend auf meine Mutter war. Außerdem hatte ich Angst vor meiner Mutter, denn sie war auch manchmal betrunken und bekam Wutanfälle, und von einem Moment auf den anderen konnte sie dann auf mich losgehen. Wenn Papa sie verprügelt hatte, schrie sie mich manchmal an, weil sie meinte, ich hätte sie nicht beschützt, und dann schlug sie mich. Einmal drosch sie mit einem Strauß Rosen auf mich ein; ich war voller Kratzer und Schürfwunden und konnte eine ganze Woche lang nicht zur Schule gehen.
    Vielleicht hat sich ja deswegen mein Bruder Vitalik so verändert. Als Kinder waren wir immer gute Freunde gewesen, aber als er ins Teenageralter kam, verlor er das Interesse an mir, und bald machte er bei den Streitereien zwischen meinen Eltern mit. Er fing an zu rauchen, schwänzte die Schule und trieb sich mit einigen üblen Leuten herum, was meinem Vater Sorgen machte. Als ich neun war, stahl Vitalik meinen Eltern die Eheringe und eine goldene Kette. Papa war fuchsteufelswild, und zum ersten Mal merkte ich, dass er nicht nur meine Mutter verprügeln konnte.
    »Wieso tust du das?«, schrie mein Vater. »Ich arbeite wer weiß wie hart, damit ihr zwei, deine Schwester und du, es einmal besser

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