Sieh mich an, Al Sony
weder Quoten noch Produktionseinschränkungen. Die Preise sind gestiegen, weil die Produktion die wachsende Nachfrage infolge politisch motivierter Exportüberwachung nicht bedienen kann. Amerikanische Chipfabrikanten beklagen sich darüber, daß Japan seine Drams zu billig verkauft, und sie setzen künstlich... « Er brach ab und wiederholte dieses Wort; es war ihm fast unmöglich, es auszusprechen, aber die Pflicht nötigte ihn, es trotz seines wachsenden Ärgers zu versuchen.
»Küüün...st...lieh«, sagte ich.
»Danke,... einen hohen Grundpreis an. Japan will diese Vereinbarung nicht. Westliche Software-Designer erwarten billigen Speicherplatz in PCs. Sie schreiben große Programme, als gäbe es den Speicherplatz gratis. Japaner schreiben diese große, speicherfressende Software nicht. Die Umstellung von der 256K-Dram-Produktion auf die Megabit-Chips verschlimmert die Knappheit auch noch. Außerdem glaube ich, daß die westlichen Einkäufer wie üblich die Nachfrage ihrer Kunden überschätzen. Deshalb steigen die Preise.«
»Ja, aber Japan trägt nicht gerade zu einer Besserung der Lage bei, wenn es dafür sorgt, daß der heimische Markt mit den Drams, die vorhanden sind, zuerst bedient wird.«
»Bitte, ich will jetzt nicht mehr darüber reden, Georgina.«
»Ich will nur wissen... «
»Genug. Ich will mit dir schlafen, und du redest vom Geschäft. Wenn ich eine westliche Frau wäre, würde ich mich beschweren.«
»Ich will nur wissen, wie es möglich ist, daß ein Japaner mit zertifikatbeglaubigten Drams im Wert von einer Million Dollar herumspazieren und sie in einem Pokerspiel verwetten kann.«
»Ich habe es dir gesagt. Du kannst sie überall bekommen.«
»Sag das mal den Computerherstellern.«
Shinichro stand abrupt auf und murrte in hart klingendem japanisch vor sich hin. Ich stützte mich auf den Ellbogen auf und ließ die gestiefelten Füße über die Bettkante schwingen.
»Wenn ich dir einen Chip bringe, könntest du dann sagen, wo er herstammt? Eh, Shiny? Was meinst du?«
Shinichro hatte den glatten, breiten Rücken halb abgewandt und stemmte einen muskulösen Arm in die nackte Hüfte. Er fuhr sich rasch mit der Hand durch sein schwarzes Haar und grunzte. Das bedeutete »ja«.
»Ich danke dir, ehrenwerter Meister«, sagte ich. Er weigerte sich, sich umzudrehen; er war immer noch wütend. Ich hob das Bein und trat ihm sanft gegen den Schenkel, tappte immer wieder gegen das Fleisch, bis er meinen Knöchel packte, ihn mit der Hand umspannte und mein nacktes Bein hochzog.
»Genug.«
Genug geredet, meinte er, und ich wartete, daß er sich herabließ und mich auf den weichen, roten Bezügen auseinanderdrückte, die unwiderstehlich nach Reiscrackern und Tee dufteten.
Ich brauchte ihm nur die Nummer zu besorgen, hatte Shinichro gesagt. Jeder verpackte Chip hat einen Code; er enthält die Herstellungswoche, das Datum und die Chargennummer, an der man Herkunftsland und Fabrikationsstelle erkennen kann. Das alles würde in den Zertifikatsunterlagen stehen. Er würde ein Mikroskop brauchen, um die einzelnen Chips an sich zu überprüfen, um zu sehen, ob sie den Unterlagen entsprachen. Das war ein Problem, das er bewältigen konnte, aber mir war nicht wohl bei dem Gedanken, mit einem Päckchen im Wert von hunderttausend Dollar unter dem Arm aus einem Tresorraum hinaus und durch die Londoner Straßen zu spazieren. Das kam nicht in Frage. Ich würde nur mein Notizbuch mitnehmen und die Nummern von Charlies Liste abschreiben. Aber wie sich zeigte, hätte ich mich mit all dem Für und Wider dieser Entscheidung gar nicht abzuplagen brauchen. Als ich mich in einem der fensterlosen Zimmer, die Charlies auserwählte Bank in der Oxford Street zur diskreten Inspektion der Beute zur Verfügung stellte, niederließ und den schweren Metallkasten öffnete, da war nichts drin.
Ich fragte die Bankangestellte, wer die Schatulle in der vergangenen Woche eingesehen und dafür abgezeichnet hatte, und sie zeigte mir zwei Unterschriften, beide von Charlie — C.H. East, schnelle, schleifige, vorwärtsgeneigte Kritzeleien. Beschreiben konnte sie ihn nicht; sie sei neu, sagte sie, und arbeite meistens unten im Keller, wo sie die Geldautomaten füllte. Ich unterschrieb und ging. Es hatte gerade geregnet, und der Verkehr rauschte spritzend vorbei, stoppte und ging weiter, und schmierige Feuchtigkeit sprühte aus den schmutzigen Pfützen aus Wasser und Abfall, die sich in der Gosse gesammelt hatten, auf den Gehweg. Ich trat
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