Silberband 036 - Die Zeitpolizei
der unter vierdimensionalen Bedingungen stofflich war, ebenso stofflich
bleiben konnte. Er mußte eine andere Daseinsform annehmen, oder er hätte gar nicht erst in
das übergeordnete Universum vordringen können.
Rhodan erkannte diesen Widerspruch mit gleicher Hellsichtigkeit. Der Schüttelkrampf drückte
ihn gegen die Sicherheitsgurte, die seltsamerweise nicht in den Körper einschnitten, sondern dem
Beben und Zittern nachgaben.
Perry fühlte, daß er keine Luft mehr einsog, sondern etwas, das weder ein Gas noch eine
Flüssigkeit war. Es füllte seine Lungen, vermittelte ihm jedoch das Gefühl, er müsse beim
Einatmen ersticken.
Es gelang ihm, den Eindruck von sich abzuschütteln und nur auf seine Umgebung zu achten.
Links von ihm saß Oberst Merlin Akran. Er hatte die Hände um den Hals gelegt und versuchte,
den Öffnungsmechanismus des Helmes zu erreichen.
Er ertastete den Kontakt und drückte ihn nieder. Der Helm klappte langsam zurück.
Rhodan beobachtete die Prozedur mit unwirklicher Interesselosigkeit. Erst als der Epsaler zu
husten begann und seine Atemnot offensichtlich nachließ, konnte sich Rhodan dazu überwinden, dem
Beispiel des Kommandanten zu folgen.
Es kostete sehr viel Mühe, den Knopf einzudrücken. Als auch sein Gefechtshelm zurückschwang,
glaubte er, ertrinken zu müssen. Die rote Emulsion sickerte in seinen Mund und füllte seinen
Brustraum. Dann aber konnte er plötzlich besser atmen.
Er lachte. Er lachte laut und hemmungslos, bis er erkannte, wie unsinnig es war.
Da verstummte er und versuchte, seine Gurte zu lösen. Wieder begann der Kampf zwischen der
Muskulatur des Körpers und der zähen Flüssigkeit, die jede Bewegung verhindern wollte.
Die Gurte glitten zurück. Rhodan war frei. Als er sich umdrehte, erkannte er in dem trüben
Licht, daß alle Männer der Zentralebesatzung seinem Beispiel folgten. Plötzlich konnten sie
wieder mühelos atmen; aber die Schüttelkrämpfe ließen sich nicht beseitigen.
Merlin Akran stöhnte. Der Laut klang unwirklich, so, als wäre er unter Wasser ausgestoßen
worden. Auch die nachfolgenden Worte glichen eher einem Gurgeln. Dennoch waren sie verständlich
und sogar überraschend lautstark.
»Die Emulsion ist ein guter Schalleiter!« hörte sich Rhodan sprechen. »Wie geht es Ihnen,
Merlin?«
Der Epsaler sah ihn aus stumpfen Augen an. Sie hatten Ähnlichkeit mit denen eines Fisches.
»Gut, warum? Warum fragen Sie, Sir?«
»Nur so, Merlin, nur so.«
Zwei Männer, wahrscheinlich die reaktionsschnellsten an Bord der CREST IV, bemühten sich
verzweifelt, ihre Konversation etwas inhaltsvoller zu gestalten. Es war schwer, Interesse dafür
aufzubringen. Rhodan fühlte jedoch, daß dieses Interesse unter keinen Umständen der aufkommenden
Lethargie weichen durfte.
»Wir sollten sprechen, viel sprechen«, fuhr er langsam und gurgelnd fort. »Sehen Sie die
Riesenmoleküle? Dort, schauen Sie doch. Sie sind überall. Sie schwimmen wie wir in der roten
Emulsion, aber sie sind geschickter als wir. Könnten es Quallen sein?«
Der Kommandant lachte plötzlich. Es klang wie das Geräusch eines Wasserfalles. Er wurde sich
der Unwirklichkeit der Umgebung und der Unterhaltung jetzt erst bewußt.
Plötzlich wurde sein Verstand klarer. Er erinnerte sich.
»Wir sind im Hyperraum. Wieso aber sind wir körperlich existent? Können Sie mich fühlen?«
Rhodan starrte den Epsaler an.
»Zu weit, Merlin, viel zu weit. Sie sind Milliarden Lichtjahre von mir entfernt. Seltsam! Ich
habe noch nie einen Mann gesehen, der eine Milliarde Lichtjahre von mir entfernt war.«
Rhodan lachte. Dicke Blasen kamen aus seinem Mund.
Der Epsaler wurde ständig aktiver. Sein Schwerkraftregulator schien sich von selbst
eingeschaltet zu haben. Das entlastete seine überstarke Muskulatur.
»Wir müssen klarer denken, verstehen Sie! Klarer denken! Folgerichtiger! Es geht darum, die
Lage zu erfassen. Wir können nur im Hyperraum sein. Ich weiß es.«
»Wieso?«
»Ich weiß es«, beharrte Akran auf seiner Meinung. »Ja, Sie haben recht. Wir sind von zahllosen
Quallen umgeben. Oder, wie drückten Sie sich zuerst aus?«
»Riesenmoleküle.«
»Das ist richtiger. Riesenmoleküle! Sir, ich fühle, daß ich Unsinn rede, aber ich kann es
nicht besser. Wollen wir schwimmen?«
Rhodan fühlte in sich den unbezähmbaren Drang aufsteigen, über Akrans Vorschlag zu lachen.
»Schwimmen?« prustete er. »Merlin, Sie sind verrückt! Ich weiß meinerseits, daß wir uns
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