Silberband 064 - Die Stimmen der Qual
und schmetterte seine Spezialkeule mit aller Kraft auf den Boden.
Dem verdutzten Wachtposten, der, durch das Geräusch alarmiert, in seine Kabine gestürmt kam, erklärte er mit einem entwaffnenden Lächeln: »Ich habe eine Fliege erschlagen. Das ist doch erlaubt?«
Der Wachtposten schien anderer Meinung zu sein und paralysierte ihn kurzerhand.
***
Lord Zwiebus hatte eine seltsame Vision: Sein Geist hatte das Gefängnis seines Körpers gesprengt und war frei.
Er schlüpfte in den Körper des Wachtpostens, der auf seinem Rundgang auch in das Krankenzimmer kam, in dem der paralysierte Körper des Pseudo-Neandertalers lag. Zwiebus gefiel sich darin, von seinem Körper wie von etwas Fremdem zu sprechen: Durch die Augen des Wachtpostens blickte er auf den Körper des Pseudo-Neandertalers hinunter!
Dann sah er durch die Augen eines Sanitäters den Wachtposten – und gleich darauf durch die Augen eines Dritten den Sanitäter … Es war ganz einfach, von einem Körper in den anderen zu springen und durch fremde Hör- und Sehorgane Wahrnehmungen zu machen.
»Wie lange hält die Paralyse des Affenmenschen noch an?« fragte der Wachtposten.
»Jeder normale Mensch wäre für einen halben Tag hinüber, aber bei diesem Naturburschen dauert die Paralyse höchstens noch eine Stunde«, antwortete der Sanitäter.
Der Wachtposten streckte plötzlich die Arme von sich und stieß einen erstickten Schmerzensschrei aus.
»Da, sehen Sie, was mit meinen Händen passiert!« rief er entsetzt.
Lord Zwiebus sah durch die Augen des Dritten, daß sich auf den Händen des Wachtpostens Bläschen bildeten. Er hörte den Besitzer seines Gastkörpers sagen: »Rühren Sie nichts an und begeben Sie sich sofort auf die Quarantänestation.«
»Jawohl, Sir!« Der Soldat zitterte am ganzen Körper.
Lord Zwiebus konnte es sich nicht verkneifen, über das Sprechorgan seines Wirtes zu sagen: »Das ist die Strafe dafür, daß Sie den Pseudo-Neandertaler als Affenmenschen tituliert haben.«
Er wich dem mißtrauischen Blick des Sanitäters aus und öffnete schnell die Tür des Krankenzimmers, in dem Irmina Kotschistowa untergebracht war.
Sie lag unter einer keimtötenden Strahlungsglocke, ihre Hände waren an den Handgelenken an Diagnosegeräten angeschlossen. Die Metabio-Gruppiererin war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihr schönes Gesicht war durch Narben und Eiterbläschen entstellt, die Haut ihrer Arme war so zerklüftet wie eine Kraterlandschaft.
Wie vergänglich die Schönheit ist, zeigt sich hier am deutlichsten, philosophierte Lord Zwiebus.
Durch die Augen seines Wirts blickte er auf die Skala des Diagnosegerätes: Lashat-Pocken. Niemand konnte sich erklären, wie die Lashat-Pocken an Bord der TIMOR gekommen waren. Die Personalakten aller Mannschaftsmitglieder waren unzählige Male überprüft worden, aber es konnte kein Hinweis auf den Krankheitsträger gefunden werden. Dennoch mußte außer Zweifel stehen, daß Irmina Kotschistowa die Lashat-Pocken hatte. Die Symptome waren eindeutig, die unbestechlichen Geräte hatten ihre Diagnose gestellt – außer Irmina Kotschistowa waren noch sieben weitere Personen von dieser tödlichen Seuche betroffen …
Es konnte keinen Zweifel geben: Die TIMOR hatte die Pest an Bord!
»Wie fühlen Sie sich, Irmina?« fragte Zwiebus' Wirt.
Der Pseudo-Neandertaler wechselte in den Körper der Metabio-Gruppiererin über. Er sah Roi Danton vor sich, der den Kopf schüttelte, als wolle er ein lästiges Insekt verscheuchen.
»Man kennt gegen die Lashat-Pocken kein Mittel«, sagte Irmina Kotschistowa.
»Doch«, behauptete Roi Danton. »Es liegt nur an Ihnen, Irmina, daß Sie wieder gesund werden. Sie müssen nur fest daran glauben, dann werden Sie die Krise überstehen.«
»Sie sprechen von einer Krise«, sagte Irmina Kotschistowa schwach, »während die Mediziner es als tödliche Seuche bezeichnen. Die Lashat-Pocken kann man nicht allein durch den Willen zum Überleben besiegen.«
»Sie schon«, beharrte Roi Danton. »Sie besitzen die Fähigkeit des Metabio-Gruppierens, Irmina. Sie können Ihren gesamten Metabolismus kontrollieren. Setzen Sie Ihre Paragabe ein, um sich selbst zu heilen.«
»Ich fühle mich zu schwach dazu.«
»Kämpfen Sie!«
»Ich kann nicht … ich habe nicht die Kraft, meine Fähigkeit anzuwenden.«
»Was hindert Sie daran, Irmina?«
»Meine Schwäche …«
»Sonst nichts?« Roi Danton starrte sie wie hypnotisiert an. »Ist es nicht eine fremde Macht, die Ihren Willen
Weitere Kostenlose Bücher