Silberstern Sternentaenzers Sohn 03- Reise in die Vergangenheit
abgeschnitten wurden, wenn sie ins Kloster eintraten. Als Zeichen des Gehorsams vor Gott. Könnte sie meine Mutter sein?, fragte sich Annit in Gedanken weiter.
Die Nonne blickte Annit und Mannito neugierig an. „Wollt ihr jemanden besuchen hier?“, fuhr sie fort, da Annit immer noch kein Wort über ihre Lippen gebracht hatte. „Oder braucht ihr irgendwie Hilfe?“
Da trat Mannito vor. „Eigentlich beides“, antwortete er freundlich. „Ich meine ... wir suchen jemanden ..."
Schließlich hatte auch Annit ihre Sprache wiedergefunden. „Ja, wir suchen jemanden“, bestätigte sie.
Die Nonne nickte und öffnete die Tür noch ein Stückchen weiter. „Dann kommt doch erst mal herein. Vielleicht kann euch ja unsere Igoumeni weiterhelfen.“ Als sie bemerkte, dass Annit und Mannito sie verständnislos anschauten, lachte sie. Rasch erklärte sie den beiden, dass die Klostervorsteherin in Griechenland nicht Äbtissin, sondern Igoumeni hieß, während die Klosterschwestern statt Nonne oder Schwester hier Adelfi genannt wurden.
Dann ging sie voraus durch einen hübschen Garten mit Rosen, Lavendel und Oleander, in dessen Mitte ein kleines Kirchlein stand.
„Warum hast du die Nonne denn so komisch angeschaut?“, flüsterte Mannito.
Annit schluckte. „Ich dachte ... also ich hab überlegt, ob sie vielleicht meine Mutter ist“, druckste sie herum.
„Aber dann hätte sie dich doch bestimmt erkannt“, raunte Mannito leise zurück.
Annit schüttelte den Kopf. „Meine richtige Mutter kennt mich ja nur als Baby“, entgegnete sie. „Da kann sie doch gar nicht wissen, wie ich jetzt aussehe.“ Aber sie hätte es vielleicht spüren müssen, wenn ich ihre Tochter bin, fügte sie in Gedanken hinzu. Mütter spüren so was doch ... vielleicht.
Die Nonne war inzwischen vor einem Stall stehen geblieben, der sich seitlich neben dem Hauptgebäude befand. „Hier könnt ihr eure Pferde unterstellen“, bot sie an und bedachte die beiden Tiere mit einem bewundernden Blick. „Sie sind wunderschön, die zwei.“
Annit und Mannito nahmen das Angebot an und führten Silberstern und Ranja in den Stall.
„Wünsch mir Glück, damit nichts schiefgeht“, flüsterte Annit ihrem Hengst ins Ohr und streichelte zärtlich über seine samtweichen Nüstern. Für einen kurzen Augenblick sah es aus, als hätte Silberstern ihre Worte verstanden und würde seinen Kopf zustimmend auf und ab bewegen.
Nachdem Annit und Mannito ihre Pferde versorgt hatten, folgten sie der Nonne schließlich ins eigentliche Klostergebäude. Annit schaute sich neugierig um, als sie einen langen, hohen Flur mit hell verputzten Wänden entlanggingen. Hier haben also meine richtigen Eltern mal gelebt, ging es ihr durch den Kopf. Oder zumindest haben sie sich mal hier aufgehalten, irgendwann.
Vor einer großen, holzgetäfelten Tür gab ihnen die junge Nonne dann ein Zeichen. „Wartet bitte einen Augenblick hier draußen“, bat sie. „Ich muss abklären, ob die Igoumeni jetzt Zeit für euch hat.“ Sie klopfte an, öffnete die Tür und verschwand dahinter.
Mannito schnaufte tief durch, dann streckte er beide Daumen in die Luft. „Wir kriegen das schon hin“, sagte er aufmunternd zu Annit.
Wenig später öffnete sich die Tür wieder, und die junge Nonne forderte sie auf, einzutreten.
Zögernd und etwas unsicher betrat Annit den Raum, Mannito folgte ihr. Zahlreiche Bücher standen in den Regalen an der Wand, und auf einer Seite hing ein großes Bild, das die Mutter Gottes zeigte.
Hinter einem wuchtigen Schreibtisch saß eine stattliche Frau, Anfang fünfzig, in schwarzer Ordenstracht. Auf ihrer Nase steckte eine Lesebrille, über deren Rand hinweg sie Annit und Mannito prüfend anschaute. „Ihr beide braucht also unsere Hilfe, wie Adelfi Mariana mir berichtet hat“, begann sie schließlich. Ihre Stimme klang ziemlich tief, was die Äbtissin noch strenger er scheinen ließ.
Die junge Nonne heißt also Mariana, schoss es Annit durch den Kopf, und ihr fiel wieder ein, dass die Klosterschwester auf Griechisch Adelfi genannt wurde.
Annit bemerkte, dass die Äbtissin sie aufmerksam musterte, bevor sie Mannito einen missbilligenden Blick zuwarf und auf seine Baseballkappe deutete, die wie immer verkehrt herum auf seinem Kopf saß.
„In unserem Kloster gibt es gewisse Regeln, die eingehalten werden müssen“, sagte sie streng und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. „Und dazu gehört auch, dass man
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