Skin Game: Gefährliche Berührung (German Edition)
nicht, was für einen Wagen er fuhr, würde also nicht gewarnt sein, wenn sie am Morgen aus dem Fenster schaute.
Der verpatzte Einstieg machte es knifflig. Wenn er geahnt hätte, wie schwer sie zu kriegen war, hätte er die erste Annäherung sorgfältiger geplant. Doch daran ließ sich nichts mehr ändern. Die nächste Begegnung musste er so arrangieren, dass bei ihr nicht die Alarmglocken schrillten.
Aber erst einmal brauchte er Schlaf.
Reyes mietete ein Zimmer bei dem angesäuerten Besitzer des Motels und beeilte sich, ins Bett zu kommen. Es amüsierte ihn, dass er Tür an Tür mit ihr wohnte. Im Gästebuch hatte er ihren Eintrag gelesen: Cassie Marvel. Von ihren Decknamen kannte er bereits Rachel Justice und Lisa Baker. Dass sie sich nicht an ihre echten Initialen hielt, schätzte er. Viele Leute begingen diesen Fehler unbewusst und ließen so ihr wahres Ich bei jeder ihrer Rollen durchscheinen.
Als er an ihrem Zimmer vorbeiging, sah er hinter den dünnen Vorhängen Licht brennen und ertappte sich dabei, wie er neugierig überlegte, warum sie so spät noch auf war. Sie musste doch todmüde sein.
Selbst ihn hatte die lange Fahrt erledigt. Es war zwar unklug, vor ihrem Fenster stehen zu bleiben, aber da sich das Licht sicher in der Scheibe spiegelte, würde er für sie nur eine dunkle Gestalt sein, falls sie hinsähe. Also gestattete er sich einen Blick ins Zimmer und entdeckte verblüfft, dass sie zusammengerollt auf der Seite lag, vollständig angezogen und mit dem Gesicht zur Tür. Es versetzte ihm einen Stich; Kyra Beckwith schlief wie ein Kind, das sich im Dunkeln fürchtete.
Er ging weiter. Seine Sohlen verursachten keine Geräusche, während er in sein Zimmer schlich und sich zwang zu vergessen, was für einen sonderbar verletzlichen Eindruck sie auf ihn gemacht hatte. Wahrscheinlich lag eine Waffe unter ihrem Kopfkissen. Er war ja davor gewarnt worden, dass sie sehr gefährlich sein konnte, aber er konnte sich noch immer nicht erklären, wieso ihr Kampfstil dem seinen so sehr ähnelte. Und ebenso wenig verstand er, weshalb er sich nach ihrer ersten Berührung so ausgelaugt gefühlt hatte.
Inzwischen schien alles wieder wie immer zu sein. Er hatte ein paar schwierige Katas probiert, um sicherzugehen. Da sie ihm ganz selbstverständlich gelungen waren, hatte die sonderbare Wirkung wohl nachgelassen.
Bevor Reyes sich schlafen legte, stellte er die Möbel um. Den Beistelltisch rückte er unters Fenster, sodass ein Eindringling die Lampe umreißen würde. Ins Erdgeschoss einzusteigen war ungefähr so leicht, wie einen Fisch in einem Fass zu harpunieren. Darum konnte er solche Zimmer nicht leiden, aber er musste dicht bei seiner Zielperson bleiben. Als Nächstes schob er den Schreibtisch so vor die Tür, dass sie dagegenknallen und zurückprallen würde, falls sie jemand mit dem Fuß einträte. Und er gewänne etwas Zeit, sich auf einen Kampf einzustellen. Das waren primitive Alarmvorrichtungen, doch sie würden genügen. In seiner Branche wurde man nicht alt, wenn man solche Vorsichtsmaßnahmen verachtete.
Mit der Waffe neben sich schlief er ein.
Am Morgen war das Pflaster noch nass von dem nächtlichen Gewitterregen. Nachdem er geduscht hatte, aß er einen Energieriegel und ging dabei seine Möglichkeiten durch. Als sie wegfuhr, folgte er ihr nicht sofort, sondern behielt lediglich das Signal des Peilsenders im Auge. Vermutlich war sie nur auf ein Frühstück in diesem miesen Kaff aus und würde in Reichweite bleiben.
Typisch für sie wäre, wenn sie nach einem Laden Ausschau hielte, wo sie ihre nächste Nummer abziehen konnte. In Anbetracht der Summe, die sie Serrano abgenommen hatte, war das zwar unverständlich, aber sie schien ihr Kapital nicht anzurühren. Nach allem, was Reyes beobachtet hatte, lebte sie von den Gewinnen, die sie unterwegs machte, nicht von dem Kasinogeld. Daraus schloss er, dass sie es fürs Erste irgendwo versteckt haben musste. Aber wo? Und warum?
Er griff sich seine Sachen und ging kurz ins Büro, um auszuchecken. Diesmal traf er eine junge Frau an der Rezeption an, vielleicht die Tochter des Besitzers. Sie war höchstens neunzehn, blond gefärbt und wohlgenährt. Die Jungs standen vermutlich auf sie.
Sie wurde rot, als sie den Schlüssel entgegennahm und mit ihren Fingern seine streifte. »Zu schade, dass Sie nicht noch eine Nacht bleiben können.«
Er lächelte. »Na, man weiß ja nie. Vielleicht komme ich mal wieder.«
Das hing davon ab, was seine Zielperson zu tun
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