Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition)

Bundeslade.

II
NACHBEBEN
     
     
     
    Dezember 2021 Jacht von VOX Communications –
Upper New York Bay
     
     
    E s war der vierte glanzvolle Empfang im Rahmen der großen PR -Kampagne der VOX Entertainment Group allein in dieser Woche.
    Und der aufwändigste.
    Trotz der Eiseskälte, die draußen herrschte, war New York in Feierstimmung. Und Jason De Vere, Vorsitzender und Eigner der Multimilliarden-Dollar-Mediengesellschaft VOX Entertainment, ebenso.
    Der Dritte Weltkrieg war vor vierzehn Wochen nach dem Atomschlag des Westens gegen Moskau zu Ende gegangen. Und die zahllosen multinationalen Konzerne von Manhattan wagten sich langsam wieder aus der Deckung hervor. Die ständige Drohung eines atomaren Angriffs gegen das Herz von New York war nur noch eine rasch verblassende Erinnerung, und das Unterdeck von Jason De Veres größter Firmenjacht wimmelte von Menschen.
    Gesetzte Finanziers der Wall Street, Hedge-Fonds-Besitzer und -Manager, alternde TV -Journalisten und Agenten der Unterhaltungsindustrie mischten sich auf dem Tanzboden mit der Crème de la Crème von New Yorks junger und nicht-ganz-so-junger Elite aus der Fernseh-, Mode- und Verlagswelt. Und alle drehten sich zu der hämmernden Musik.
    Jason De Vere war zehn Minuten zuvor per Hubschrauber eingetroffen. Dass er persönlich zu einem solchen Event erschien, war eher ungewöhnlich und, wie seine wenigen Vertrauten wussten, nur auf die Anwesenheit von fünf milliardenschweren Medieninvestoren aus Beijing zurückzuführen, die sich an Jasons jüngstem Projekt beteiligt hatten.
    Der Preis war heiß. Es ging dabei um nichts Geringeres als die Öffnung des chinesischen Marktes für VOX mit seinen gesamten Multimedia- und Filmunternehmen.
    Mit vierundvierzig war Jason De Vere immer noch ein gut aussehender Mann, aber bereits nicht mehr der Jüngste. Sein braun gebranntes Gesicht zeigte Fältchen in den Augenwinkeln, und sein kurzes Haar, das sich an den Schläfen schon silbern verfärbte, war für einen Medien-Tycoon von ungewöhnlicher Strenge.
    Wie auch sein momentanes Verhalten.
    Gefangen in der Mitte des Tanzbodens in den Klauen einer mit zu viel Make-up und Solariumbräune aufgestylten Blondine, drehte er sich ungeschickt zur Musik, mit dem unvermeidlichen Whiskyglas in der Hand.
    Er blickte um sich. Sie waren alle so jung . Eher im Alter seiner Tochter Lily als in seinem. Wohin war die Zeit entflogen? Der blonde Krake, die neueste Moderatorin des Musikkanals von VOX , schlang die Arme noch enger um seinen Hals und machte es Jason so erst recht unmöglich, den letzten Schluck von seinem Whisky zu nehmen. »Verdammte PR -Fuzzies!« Er rollte frustriert die Augen und versuchte, eine seiner drei Vorstandsassistentinnen aufzuspüren.
    Die neueste und jüngste, eine elegante asiatische Schönheit, die erst kürzlich aus der VOX -Niederlassung in Singapur nach New York versetzt worden war, führte ein intensives Gespräch mit seinen chinesischen Klienten.
    Verzweifelt spähte Jason umher, um seine treueste Assistentin ausfindig zu machen, die ihm seit neunzehn Jahren zur Hand ging: Miss Jontil Purvis, siebenundfünfzig Jahre alt und ursprünglich aus Charleston, South Carolina, stammend.
    Jontil war absolut integer und für Jason unersetzlich. Sie war schon seit den Anfängen der Firma bei VOX und hatte das Auf und Nieder der hektischen Gründerjahre miterlebt. In den letzten zwei Jahrzehnten war sie Tag und Nacht mit der schier unlösbaren Aufgabe befasst gewesen, Jason De Veres brutale und gnadenlose Inanspruchnahme durch das Mediengeschäft irgendwie erträglich zu gestalten.
    Ihr Tätigkeitsfeld umfasste all seine Lebensbereiche, die beruflichen ebenso wie die privaten: Es reichte von seinen hochkomplexen, milliardenschweren Unternehmensfusionen bis hin zur Organisation des Krankenhausaufenthalts und der Therapie seiner Tochter Lily nach deren schwerem Autounfall. In jüngerer Zeit kam noch die Klärung der unliebsamen Details von Jason De Veres vor den Augen der Presse erbittert ausgefochtener Scheidung von seiner Frau Julia hinzu.
    Während der Trennung hatte Jontil Purvis ihm ein ganzes Jahr lang die kalte Schulter gezeigt. Sie betete Julia St. Cartier an, schon seitdem sie Jasons Frau als junger, scharfzüngiger Journalistin vor neunzehn Jahren das erste Mal begegnet war. Zwischen ihr und Julia hatte sich eine enge Freundschaft entwickelt, und Jontil Purvis war loyal bis zum Letzten. Sie war außerdem eine fromme Baptistin, die an die Unauflöslichkeit