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Solar

Solar

Titel: Solar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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Energien zu verschaffen; er hatte nicht vor, ihn um Rat oder Empfehlungen zu bitten, er wollte ihn mit einem kostspieligen Rechtsstreit in die Knie zwingen. Das war eine Drohgebärde, ein versuchter Raubüberfall. Wahrscheinlich spekulierte Braby auf eine außergerichtliche Einigung, um sich sein Scherflein zu sichern. Dabei hatte er absolut nichts in der Hand.
    Neu belebt und erleichtert, stand Beard abrupt auf, ignorierte seinen Schwindelanfall und klopfte Hammer auf die Brust, als wolle er das defekte Uhrwerk seiner Gedanken wieder auf Kurs bringen.
    »Hör zu, Toby. Ich erlebe solche Machenschaften, was Institutionen und Patente angeht, nicht zum ersten Mal. Braby nimmt an - oder jedenfalls tut er so -, ich hätte meine Photosynthese-Forschung am Institut betrieben, und daher hätten die nun auch die Verwertungsrechte. Aber ich habe damit erst am Imperial College angefangen, lange nachdem Braby mich hinausmanövriert hatte. Im Übrigen durfte ich laut meinem Arbeitsvertrag auch selbständig Forschung betreiben. Schließlich war ich nur einmal wöchentlich dort. Ich habe den alten Vertrag noch zu Hause. Ich zeig ihn dir.«
    »Das könnte uns ins Hintertreffen bringen«, murmelte Hammer düster, noch immer nicht überzeugt.
    Beard sagte: »Wenn die Daten auf dem Tisch liegen, wann ich rausgeworfen wurde, was in meinem Vertrag drinsteht, ziehen die die Klage sofort zurück. Wir reichen selbst eine Klage ein, wegen Belästigung, Verleumdung, was weiß ich. Das Institut hat noch weniger Geld als wir. Die haben mit der Entwicklung einer lächerlichen Windturbine fast alles in den Sand gesetzt. Ein Riesenskandal. Der Laden ist praktisch pleite.«
    Beard merkte, dass sein Kollege ruhiger wurde. Die Prozessgegner arme Schlucker? Das konnte sich hören lassen.
    »Michael, versprich mir, es gibt da keine verborgenen Klippen, keine schockierenden Enthüllungen, du verschweigst mir nichts.«
    »Mein Ehrenwort. Braby ist ein verdammter Opportunist. Den befördern wir hochkant über den Rio Grande.«
    »Barnard ist in fünfzehn Minuten hier.«
    Beard sah mit übertriebenem Stirnrunzeln auf die Uhr.
    Erst kam sein Stelldichein mit Darlene an die Reihe. Danach würde er dem Anwalt gegenübertreten.
    »Ich habe einen Termin in Lordsburg. Aber am Abend findet er mich im Holiday Inn. Oder in dem Restaurant auf der gegenüberliegenden Straßenseite.«

    Nach der eisigen Luft im Leitstand war die trockene Hitze des Spätnachmittags geradezu eine Wohltat: wie belebend, aus dem Neonflackern ins goldene Sonnenlicht, aus dem Summen der Server in den Lärm der Festvorbereitungen zu kommen, wo die Kakophonie von Country-Musik aus zwei verschiedenen Lautsprecheranlagen an verschiedenen Enden des Geländes gegen die übenden Blaskapellen und das Jaulen einer Bohrmaschine antrat. Nicht nur die Aussicht auf das Schäferstündchen mit Darlene brachte Beards Blut in Wallung. Belebend, erhebend war auch die Empörung über Brabys plumpe, aus der Luft gegriffene Behauptungen. Diese Anfeindungen waren der beste Beweis für die Bedeutung des Pilotprojekts. Jener falsche Freund, der sich am Tiefpunkt von Beards Karriere gegen ihn gewandt hatte, wollte nun von seinem Ruhm profitieren. Das konnte er sich abschminken, dachte Beard vergnügt. Beschwingt bahnte er sich einen Weg durch das Gewühl. An einem Verkaufsstand für patriotische Souvenirs, der gerade aufgebaut wurde, hielt er kurz inne. Sollte er ein kleines Sternenbanner kaufen, um Braby mit kindlicher Bosheit damit unter der Nase herumzuwedeln? Nein. Sollte der Kerl doch mitsamt seiner mickrigen Helixturbine im feuchten, grauen Süden Englands verrotten.
    Bis zum Treffen mit Darlene hatte er noch zwanzig Minuten Zeit, die er sich vom silberhellen Trillern und Nebelhorntuten der Blaskapelle vertreiben ließ. Es waren etwa zwanzig Mann in Tarnanzügen, kaum einer jung, die da mit ihrem Kapellmeister unter einem Sonnensegel am einen Ende der grobplanierten Fläche standen. An der Südseite hatten Arbeiter eine steil ansteigende Tribüne für Würdenträger und Journalisten errichtet. Wieder konnte er nur staunen, was Toby Hammer mit seinen E-Mails alles bewerkstelligt hatte. Während Beard über den Platz ging, probten die Musiker mit nur wenigen falschen oder wackligen Tönen ein Beatles-Medley, woraus er schloss, dass es sich um kein echtes Militärorchester handelte, sondern eher um eine Reservistengruppe ortsansässiger Enthusiasten. Der weiße Taktstock des Kapellmeisters weckte die

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