Solom: Der Wanderprediger (German Edition)
klassische Gehirnwäsche funktionierte so, dass man das Realitätsbewusstsein des Objekts in Frage stellte und nach und nach die Wirklichkeit durch die gewünschten Einstellungen ersetzte. Alex nickte, drehte seinen kleinen Joint zu Ende und zündete ihn an. Diese Antwort gefiel ihm schon viel besser. Klar war er paranoid, und wie jeder Mann, der klar denken konnte, hatte er dazu auch guten Grund. Aber er war nicht verrückt.
Mit dem Joint im Mundwinkel wie Humphrey Bogart in »Casablanca« ging er zum hinteren Raum seines Hauses, der kaum größer war als ein begehbarer Schrank. Er öffnete die zwei Bolzenschlösser und trat hinein. Im Dunkeln suchte er nach den Kerzen, die irgendwo da oben auf dem Regal liegen mussten. Er zündete eine an und sah vor sich sein Heiligtum: eine ganze Wand voller Waffen. Sein größter Stolz war eine Kalaschnikow, das tödliche Lieblingsspielzeug russischer Spezialeinheiten mit 160 Patronen. Alex hatte dafür vier Pfund beste samenlose Knospen hergegeben, Schwarzmarktwert zirka achttausend Dollar. Die tödlich-kompakte Eleganz dieser Waffe fand er mindestens genauso attraktiv wie ihr Herkunftsland. Nicht dass man den Russen trauen konnte, aber wenigstens betrieben sie die Unterdrückung mit einer eindrucksvollen Ernsthaftigkeit.
Dann hatte er noch ein Schweizer Sturmgewehr SIG 510. Die Schweizer schworen zwar auf ihre Neutralität, dennoch waren sie in jedem einigermaßen bedeutenden Krieg die Verrechnungsstelle für die Kriegsbeute, die die Siegermächte an sich gerissen hatten. Ihre Waffen fertigten sie mit derselben Hingabe und Präzision wie ihre Uhren und ihre Schokolade. Zusammen mit dem Bajonett war dieses Gewehr eine ebenso elegante wie bösartige Waffe.
Auf einem mit Samt ausgekleideten Regalboden lagen mehrere auf Hochglanz polierte Handfeuerwaffen. Das Glanzstück war eine Mauser C-96. Ohne eine gute deutsche Waffe war kein Geheimarsenal komplett. Es war ein älteres Modell, aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, doch ihr Glanz und ihr Gewicht rechtfertigten ihren Platz in dieser Sammlung. Leider hatte er nur zwei Ladestreifen für jeweils zehn Patronen dafür erwerben können. Die Deutschen waren das wohl kriegerischste Volk der jüngeren Geschichte, vielleicht mal abgesehen von den Japanern, den Freiheitskämpfern aus Montana und den republikanischen US-Präsidenten.
Außerdem besaß er eine Glock aus Österreich, die sich besonders bei Polizisten großer Beliebtheit erfreute. Er selbst jedoch schätzte besonders die bewährte Präzision seiner Colt Python. Die Amerikaner waren ziemlich stolz auf diese traditionsreiche Waffe. Der Besitz einer Beretta hingegen war mehr der Romantik geschuldet. Niemals würde er sein Leben etwas anvertrauen, das aus Italien stammte – außer vielleicht seinen geliebten Riesen-Cannelloni oder der jungen Sophia Loren.
Darüber hinaus besaß er noch ein paar Backup-Waffen, ein paar M-1 Übungsgranaten, die ein Feldwebel aus Fort Bragg herausgeschmuggelt hatte, und eine 20 Kaliber Schrotflinte von Mossberg. Außerdem umfasste seine Sammlung einen Pearson Freedom Bogen, für den man locker 600 Dollar auf den Tisch blättern musste (wenn man ihn nicht wie er für eine Ladung Gras bekommen hatte). Bei den Pfeilen schwor er auf die Marke Easton, wahrscheinlich weil er mal einen Jungen namens Easton kannte, der aus Chapel Hill stammte. Verschiedene Messer machten seine Sammlung komplett, auch wenn diese mehr oder weniger als Showstücke dienten. Wäre er ein Nahkämpfer, hätte er ja wohl nicht in all die anderen Waffen investiert.
An den anderen Wänden hingen Poster, rebellisches Zeug, ein Porträt von Abbie Hoffman, psychedelische Plakate und ein Kunstdruck von Che Guevara. Der kubanische Revoluzzer war genauso bekannt für sein Barett wie für die Fotos von seinem Heldentod. Auch Richard Nixon, der Schirmherr aller späteren Paranoiker, schaute mit seiner großen Nase und gerunzelten Augenbrauen streng von oben herab.
So wie er es auch in seinem hell erleuchteten Marihuana-Schuppen zu tun pflegte, setzte sich Alex im Schneidersitz vor seine Waffenwand. Er zog so lange an seinem Joint, bis dieser seine Unterlippe versengte, dann drückte er ihn aus und schluckte den Stummel hinunter. Man durfte keinerlei Beweisstücke herumliegen lassen, nicht wenn sie vielleicht bald vor der Tür standen. Er schloss die Augen und genoss die Stille. Auf seinem Schoß ruhte in metallener Kühle die Python. Sollten die Häscher ruhig kommen. Er war
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