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Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Titel: Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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Da blieb sie lieber eine Randfigur in den Familien anderer Leute. Sie strengte sich so sehr an, damit zufrieden zu sein, und manchmal war sie es auch. Manchmal aber hatte sie das Gefühl, davonzutreiben wie ein Blatt im Wind.
    „Gleich haben wir es geschafft“, sagte sie zu George, nachdem sie einen Blick auf das Navi geworfen hatte.
    „Sehr gut. Die Reise ist so viel kürzer, als sie mir früher als Junge vorkam. Damals hat jeder den Zug genommen.“
    George hatte ihr nicht erklärt, warum genau er sich entschieden hatte, sein Lebensende an diesem speziellen Ort zu verbringen. Genauso wenig hatte er gesagt, warum er die Reise allein antrat. Sie wusste jedoch, dass er es ihr im Laufe der Zeit noch enthüllen würde.
    Viele Menschen unternahmen am Ende ihres Lebens noch einmal eine Reise. Normalerweise führte sie an einen Ort, mit dem sie sich eng verbunden fühlten. Manchmal war es der Ort, an dem ihre Geschichte angefangen hatte oder wo sie einen Wendepunkt in ihrem Leben erfahren hatten. Es war oft eine Suche nach Trost und Sicherheit. Oder genau das Gegenteil: ein Ort, an dem es noch etwas zu klären gab. Was dieses verschlafene Städtchen am Willow Lake für George Bellamy war, blieb abzuwarten.
    Die Straße folgte dem Lauf eines plätschernden Flusses, den ein Schild als Schuyler River bezeichnete. Seine alte holländische Schreibweise war genauso malerisch wie die überdachte Brücke, die Claire nun entdeckte. „Ich kann nicht glauben, dass es hier noch eine überdachte Brücke gibt! So etwas habe ich bisher nur auf Bildern gesehen.“
    „Es gibt sie schon, solange ich mich erinnern kann.“ George beugte sich leicht vor.
    Claire schaute sich die Struktur genauer an. Sie war so schlicht und nostalgisch wie ein altes Lied, mit ihrem dunkelrot gestrichenen Holz und den Holzschindeln auf dem Dach. Claire war neugierig auf die Stadt, die ihrem Patientenso viel zu bedeuten schien, und gab ein wenig mehr Gas. Das hier könnte sich zu einem guten Job für sie entwickeln. Vielleicht könnte sie sich in diesem Ort das erste Mal seit Langem ein wenig sicher fühlen.
    Sie hatte den Gedanken kaum zu Ende gedacht, da blitzten auch schon die weißblauen Lichter eines Polizeiwagens in ihrem Rückspiegel auf. Eine Sekunde später ertönte das warnende Schrillen der Sirene.
    Claire wurde mit einem Mal eiskalt, und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Sie spürte die alte Panik in sich aufwallen. Am liebsten hätte sie das Gaspedal durchgetreten und wäre mit dem schwerfälligen Wagen davongebraust.
    George musste ihre Gedanken gelesen haben – oder ihre Körpersprache. „Eine Verfolgungsjagd steht nicht auf meiner Liste“, sagte er.
    „Was?“ Mit nun hektisch roten Wangen und Angstschweiß auf der Stirn nahm sie ihren Fuß langsam vom Gas.
    „Eine Verfolgungsjagd“, wiederholte er und betonte jede Silbe, „steht nicht auf meiner Liste. Ich kann fröhlich sterben, ohne je eine erlebt zu haben.“
    „Ich fahr doch schon rechts ran! Sehen Sie, wie ich rechts ranfahre?“ Sie hoffte, dass er das Zittern in ihrer Stimme nicht mitbekam.
    „Ihre Stimme zittert“, stellte er fest.
    „Von der Polizei angehalten zu werden macht mich nervös.“ Was für eine Untertreibung. Ihre Kehle und ihre Brust waren wie zugeschnürt, ihr Herz raste. Sie kannte den klinischen Begriff für ihren Zustand, aber George gegenüber drückte sie sich allgemein verständlich aus. „Das macht mich wahnsinnig.“ Sie hielt auf dem kiesbedeckten Seitenstreifen und stellte die Automatik auf „Parken“.
    „Das sehe ich.“ Ganz ruhig zog George einen mit Monogramm versehenen goldenen Geldscheinclip aus seiner Hosentasche. In ihm steckten sorgfältig zusammengefaltete Geldscheine.
    „Was tun Sie da?“, fragte Claire und vergaß vorübergehend ihre Anspannung.
    „Ich nehme an, er ist auf ein wenig Bestechungsgeld aus. Das ist gängige Praxis in Dritte-Welt-Ländern.“
    „Wir sind nicht in einem Dritte-Welt-Land. Ich weiß, es sieht nicht so aus, aber wir befinden uns immer noch im Staat New York.“
    Der Streifenwagen, schwarz und glänzend wie ein Jelly Bean, behielt die Lichter an und zeigte somit allen Vorbeifahrenden, dass hier ein Straftäter gefasst worden war.
    „Stecken Sie das weg!“, befahl sie George.
    Er tat es mit einem Schulterzucken. „Ich könnte meinen Anwalt anrufen“, schlug er vor.
    „Ich würde sagen, das wäre etwas übereilt.“ Sie betrachtete den Streifenwagen durch den Seitenspiegel. „Warum brauchen die so

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