�Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt�
und Physik-Kenntnisse abgefragt und Kommunikation und Teamarbeit in Rollenspielenerprobt. Bei der Lufthansa bestehen nur maximal zehn Prozent der Bewerber die Tests. Pro Jahr treten 240 bis 300 Pilotenschüler und -schülerinnen ihre Ausbildung an.
Nach der Ausbildung fliegen die frischgebackenen Co-Piloten zunächst auf europäischen Strecken – etwa mit dem Airbus A320. Das Einstiegsgehalt liegt bei rund 60 000 Euro im Jahr. Später können sie dann auf die Langstrecke wechseln. Insgesamt sind rund ein Dutzend Jahre und Tausende Flugstunden nötig, um den begehrten vierten Streifen an der Uniform zu erlangen: Damit hat man dann den Job als Flugkapitän.
Interviewmit de m Flugpsychologen Reiner W. Kemmler : »Ein bissche n mehr Humor wäre schön «
Wie gefährlich sind Kommunikationspannen in Flugzeugen? Was sollte ein Pilot den Passagieren sagen und was nicht? Im Interview erklärt Psychologe Reiner W. Kemmler, was Flugprofis von dem römischen Feldherr Julius Cäsar lernen können – und berichtet von seinem lustigsten Flugerlebnis.
Frage: Herr Kemmler, warum fällt es Piloten schwer, in schwierigen Situationen die richtigen Worte gegenüber den Passagieren zu finden?
Reiner W. Kemmler: Die Cockpitarbeit zeichnet sich durch eine ganz bestimmte Kultur aus. Die Kommunikation zwischen Pilot und Co-Pilot muss offen, kritisch und zu hundert Prozent ehrlich sein. Wird das nicht eingehalten, wird es gefährlich. Wenn Sie jedoch als guter, braver Cockpit-Mitarbeiter auch mit den Passagieren ganz ehrlich kommunizieren, dann haben Sie ein Problem.
Frage: Ist es zu viel Ehrlichkeit, wenn ich als Pilot sage: »Da stand ein A380 auf der Landebahn, deshalb musste ich durchstarten«?
Kemmler: Das würde ich als Kapitän niemals sagen, weil sich dann jeder denkt: »Mann, haben wir Glück gehabt.« Manche Piloten glauben aber, dass sie durch die ausführliche Schilderung einer solchen Situation einen besonders professionellen und kompetenten Eindruck machen. So nach dem Motto: »Herr Lehrer, im Klo war das Licht noch an, aber ich hab’s schon ausgemacht.«
Frage: Reine Prahlerei also, wie toll man die Situation im Griff hat?
Kemmler: Ein junger, dynamischer Co-Pilot, der gerne zeigt, was er kann, spricht vermutlich anders als ein älterer Kapitän, der mit sonorer Stimme sagt: »Wir haben durchgestartet, das haben Sie alle gemerkt. Wir landen zehn Minuten später und bitten Sie um Verständnis.«
Frage: Ein Pilot ist nicht verpflichtet, den Passagieren jedes Notlämpchen oder jede bevorstehende Turbulenz zu melden. Was muss kommuniziert werden?
Kemmler: Zum Beispiel wenn eine Notlandung bevorsteht und die Crew den Passagieren konkrete Handlungsanweisungen geben muss – Schuhe ausziehen, ein Kissen nehmen, die Sauerstoffmaske überziehen. Sonst bräuchte man eigentlich nicht zu kommunizieren. Natürlich ist es aber gut, wenn der Kapitän etwa Turbulenzen vorher ankündigt und alle bittet, sich anzuschnallen. Aber schon da kann man viel falsch machen.
Frage: Zum Beispiel?
Kemmler: Wenn er sagt: »Meine Damen und Herren, Sie haben gemerkt, es wackelt ein wenig, aber Sie brauchen keine Angst zu haben. Wir umfliegen das Gewitter.«
Frage: Klingt doch so weit ganz vernünftig.
Kemmler: Eben nicht. In dem Moment, wo Sie »keine Angst« oder »keine Sorge« sagen, setzen Sie in den Köpfen genau das in Gang, was Sie nicht wollen. Leuten, die latent Angst haben, genügt das Stichwort, und sie klammern sich am Sitz fest. Als Pilot müssen Sie so reden, dass die Passagiere immer ein positives Bild von der Situation haben – doch das wird in der Cockpit-Ausbildung nicht geschult.
Frage: Und wie sollte man den Satz richtig sagen?
Kemmler: Bevor ich diese Nachricht weitergebe, würde ich erst mal die Flugbegleiter bitten, darauf zu achten, dass alle angeschnallt sind. Dann würde ich so etwas sagen wie: »Wir umfliegen die vor uns liegende Gewitterfront und verlieren dadurch fünf Minuten, aber die holen wir locker wieder rein.«
Frage: Wenn es mal wirklich kritisch wird in der Luft – hat dann der Kapitän nicht andere Sorgen als die perfekte Wortwahl?
Kemmler: Wenn die Piloten etwa ein Durchstartmanöver fliegen, haben die alle Hände voll zu tun und können nicht sofort und mit optimaler Einstellung auf die Kundschaft kommunizieren. Auch untereinander redet man da nur noch in »Cäsarsprache«: Veni, vidi, vici, ganz kurze, klare Sätze.
Frage: Müssten dann nicht die servicegeschulten Flugbegleiter für die
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