�Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt�
Einleitun g
Ein kleiner Flughafen in China in den achtziger Jahren: Das Flugzeug startet die Motoren, um vom Gate zur Startbahn zu rollen. Doch plötzlich schaltet der Kapitän die Triebwerke der Douglas DC -3 ab und macht die folgende Durchsage: »This plane ill! We take other plane!« (»Dieses Flugzeug krank! Wir nehmen anderes Flugzeug!«) Sämtliche Passagiere müssen in eine andere DC -3 umsteigen. Wieder starten die Triebwerke, werden aber kurz darauf abgeschaltet, und der Kapitän meldet sich erneut: »This plane even more ill! We take first plane!« (»Dieses Flugzeug noch kränker! Wir nehmen erstes Flugzeug!«)
Diese Luftfahrtlegende kursiert im Internet. Und wer sie liest, der wird amüsiert sein und zugleich froh, nicht an Bord dieser Maschine gewesen zu sein. Zu gut kann man sich vorstellen, was die Passagiere gefühlt haben müssen. Denn die lapidaren Feststellungen lösen Todesängste aus. Und sosehr das Fliegen heute auch zum Alltag gehört, so bleibt die Reise durch die Luft doch für viele unheimlich und faszinierend zugleich. Aufgrund der dramatischen Bilder in den Medien veran kernsich die wenigen Flugzeugkatastrophen tief im Gedächtnis – wie im Januar 2009 das »Wunder vom Hudson River«, die glimpflich ausgegangene Notwasserung vor Manhattan, oder das Rätsel des wenige Monate später in den Atlantik abgestürzten Airbus A330 der Air France.
Außerdem ist es für Laien schwer zu begreifen, wie die tonnenschweren Maschinen der Schwerkraft trotzen können. Im Großraumflugzeug Airbus A380 etwa können über 500 Menschen mit einer Geschwindigkeit von über 600 km/h in mehr als zehn Kilometer Höhe um den Globus rasen. Vor nur wenigen Jahrzehnten war das noch kaum vorstellbar, genauso wie die Zahl der Passagiere, die Tag für Tag weltweit einen Linienflug nutzt: sechs Millionen.
Geht dann bei Durchsagen etwas schief, weckt das selbst Vielflieger aus ihrer Lethargie. Etwa wenn nach einer abgebrochenen Landung aus dem Cockpit zu hören ist: »Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt«, erstarren die Fluggäste vor Schreck. Dabei müssten Piloten eigentlich Meister der Kommunikation sein – und erheblich redegewandter, als ein in der Branche kursierendes Bonmot erahnen lässt: »Worüber unterhalten sich Piloten im Flugzeug?« – »Über Frauen.« – »Und worüber sprechen Piloten, wenn sie mit Frauen zusammen sind?« – »Natürlich übers Fliegen.«
Wer im Cockpit sitzt, muss technisch wie sprachlich versiert sein. Piloten müssen ein Sprechfunkzeugnis besitzen, Morsealphabet und Radarfachtermini beherrschen. Sie wissen, was SSR, VMC, IFR und UTC bedeutet. Sie können die Start-up-Clearance (Erlaubnis zum Starten der Triebwerke) von der Take-off-Clearance (Erlaubnis zum Flugzeugstart) unterschei den.Sie kennen Hunderte Flughafen-Codes auswendig. Und sie wissen, dass in einer Notsituation sprachliche Missverständnisse mit dem Tower oder dem Co-Piloten fatal sein können.
Die hohe Kunst bei der Kommunikation mit den Laien in der Kabine besteht hingegen darin, komplexe Zusammenhänge in eine Sprache zu übersetzen, die nicht zu technisch sein darf (»Meine Damen und Herren, wir mussten den VOR Approach intercepten, weil laut den ATC NOTAM s der Glide Slope inop ist.«), aber auch nicht zu stark vereinfachen sollte (»Sie müssen sich das vorstellen wie bei einem Windows-Computer.«).
»Die Wahrheit ist, dass Piloten und Mikrofone nicht immer eine gute Kombination sind«, schreibt Flugkapitän Patrick Smith in seiner Kolumne »Ask the Pilot« auf der Website www.salon.com. »Wenn wir technischen Jargon vermeiden wollen und versuchen, komplizierte Situationen in für jedermann verständlichen Sätzen zu erklären, haben wir die Tendenz, zu stark zu vereinfachen. Und eine Neigung zu angsteinflößender unfreiwilliger Komik.«
Unfreiwillige Komik hat jedoch schon manches Flugerlebnis zur einmaligen Anekdote gemacht, die – wenn wieder mal alles gutgegangen ist – ein Leben lang erzählt wird. Die Reiseredaktion von SPIEGEL ONLINE hat Leser aufgerufen, über ihre schlimmsten und amüsantesten Erlebnisse an Bord eines Flugzeugs zu berichten. Die Resonanz war eine Flut von Einsendungen, wie es sie in der Geschichte des Nachrichtenportals nur selten gegeben hat: Hunderte Zitate von Crew-Mitgliedern und Passagieren, die haarsträubend und lustig zugleich sind.
DieErlebnisberichte zeigen auch, wie Piloten alltägliche und weniger alltägliche Situationen ihres Arbeitslebens mit Humor und
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