Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802
besten Genuß hat, sind allgemein bekannt. Die beiden Gemälde sind ziemlich neu, denn das erste ist nur zwei Jahre alt und das zweite noch jünger. Das erste ist Brutus der Alte, wie er seine Söhne verdammt; und der Moment ist das furchtbare:
Expedi secures
! Man muß das Ganze mit einem Blicke umfassen können, um die Größe der Wirkung zu haben, die der Künstler hervorgebracht hat. Jede Beschreibung, die auseinandersetzt, schwächt. Das Stück ist reich an Figuren, aber es ist keine müßig; sie gehören alle zur Katastrophe oder nehmen Anteil daran. Alles ist richtiger, eigentümlicher Charakter, vom Konsul bis zum Liktor. Alles ist echt römisch und schön und groß. Ich darf nicht wagen zu beschreiben; es muß gesehen werden. Vorzüglich rührend für mich war eine sehr glückliche Episode, die, soviel ich mich erinnere, der alte Geschichtschreiber nicht hat, oder wenn er sie hat, wirkt sie hier im Bilde mächtiger als bei ihm in der Erzählung. Ein ziemlich alter Mann steht mit seinen zwei Knaben in der Entfernung und deutet mit dem ganzen Ausdruck eines flammenden Patriotismus auf den Richter und das Gericht hin, als ob er sagen wollte: »Bei den Göttern, so müßte ich gegen euch sein, wenn ihr würdet wie diese!« Vater und Söhne sind für mich unbeschreiblich schön.
Das zweite Stück ist Virginius, der soeben seine Tochter geopfert hat, das Messer dem Volke und dem Decemvir zeigt und als ein furchtbarer Prophet der künftigen Momente nur einen Augenblick dasteht. Dieser Augenblick war einzig für den Geist des Künstlers. Die beiden Hauptfiguren, Virginius und Appius Claudius, sind in ihrer Art vortrefflich; aber unbeschreiblich schön, rührend und von den Grazien selbst hingehaucht ist die Gruppe der Weiber, die das sterbende Mädchen halten. Diese bekümmern sich nicht um den Vater, nicht um den tyrannischen Richter, nicht um das Volk, um nichts, was um sie her geschieht; sie sind ganz allein mit dem geliebten Leichnam beschäftigt. Eine so reizende Verschlingung schwebte selten der Seele eines Dichters vor; nimm nun noch die Vollendung und Zartheit der Figuren und das Pathos des Augenblicks dazu! Es ist eine der schönsten Kompositionen aus der Seele eines Künstlers, den der Genius der hohen und schönen Humanität belebte. Ich würde niederknien und anbeten, wenn ich die Römer nicht besser kennte. Du weißt aber schon hierüber meine etwas ketzerische Denkungsart. Als Philantrop betrachtet, möchte ich lieber in Rußland leben, an der Kette der dortigen Knechtschaft, als unter dem Palladium der römischen Freiheit. Beschuldige mich nicht zu schnell eines Paradoxons! Wehe den neuen Galliern, wenn sie die altrömische Freiheit ihrer Nation oder gar ihren Nachbarn aufdringen, oder, wie Klopstock spricht, aufjochen wollen! Aber wo gerate ich hin?
Fügers neuestes Werk, an dem er jetzt, wie ich höre, für den Herzog Albert von Sachsen-Teschen arbeitet, ist ein Jupiter, der dem Phidias erscheint, um ihn zu seinem Bilde vom Olympus zu begeistern. Da es in die Höhe kommen soll, ist die Anlage etwas kolossalisch. Der Gedanke ist kühn, sehr kühn; aber Füger ist vielleicht gemacht, solche Gedanken auszuführen. Mit einer liebenswürdigen Offenheit gesteht der große Künstler, daß er einige seiner herrlichsten Kompositionen aus Vater Wielands Aristipp genommen hat. Nun wünschte ich auch David einige Stunden so nahe zu sein, wie ich es Füger war; und ich hoffe, es soll mir gelingen. –
Während der vierzehn Tage, die ich hier hauste, war nur einigemal ein Stündchen reines, helles Wetter, aber nie einen ganzen Tag; und die Wiener klagen, daß dieses fast beständig so ist. Da ging ich denn so finster allein für mich auf dem Walle und etymologisierte »
Vindobona, quia dat vinum bonum; Danubius, quia dat nubes;
« wer weiß, ob die Römer bei ihrer Nomenklatur nicht an so etwas gedacht haben. Wenn Harrach, Füger, Retzer, Ratschky, Möller und einige andere nicht gewesen wären, die mir zuweilen ein Viertelstündchen schenkten, ich hätte den dritten Tag vor Angst meinen Tornister wieder packen müssen.
Von dem Wiener Theaterwesen kann ich Dir nicht viel Erbauliches sagen. Die Gesellschaft des Nationaltheaters ist abwechselnd in der Burg und am Kärntner Tore und spielt, so gut sie kann. Das männliche Personal ist nicht so arm als das weibliche; aber Brockmann steht doch so isoliert dort und ragt über die andern so sehr empor, daß er durch seine Überlegenheit die Harmonie merklich stört.
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