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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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nichts verderblicher und in dem Staat nichts ungerechter als eigentliche Staatspapiere, so wie unsere Staaten jetzt eingerichtet sind. Eingerechnet unsere Privilegien und Immunitäten, die freilich ein Widerspruch des öffentlichen Rechts sind, zahlen die Ärmeren fast durchaus fünf Sechsteile der Staatsbedürfnisse. Die Inhaber der Staatspapiere, sie mögen Namen haben wie sie wollen, gehören aber meistens zu den Reichen, oder wohl gar zu den Privilegiaten. Die Interessen werden wieder aus den Staatseinkünften bezahlt, die meistens von den Ärmeren bestritten werden. Ein beliebter Schriftsteller wollte vor kurzem die Wohltätigkeit der Staatsschulden in Sachsen dadurch beweisen, weil man durch dieses Mittel sehr gut seine Gelder unterbringen könne. Nach diesem Schlusse sind die Krankheiten ein großes Gut für die Menschheit, weil sich Ärzte, Chirurgen und Apotheker davon nähren. Ein eigener Ideegang, den freilich Leute nehmen können, die ohne Gemeinsinn gern viel Geld sicher unterbringen wollen. Das Resultat ist aber, ohne vieles Nachdenken, daß durch die Staatsschulden die Ärmeren gezwungen sind, außer der alten Last, auch noch den Reichen Interessen zu bezahlen, sie mögen wollen oder nicht. Bei einem Steuerkataster, auf allgemeine Gerechtigkeit gegründet, wäre es freilich anders. Aber jetzt haben die Reichen die Steuerscheine, und die Armen zahlen die Steuern. Man kann diese Logik nur bei einem Kasten voll Steuerobligationen bündig finden. Wo hätte der Staat die Verbindlichkeit, den Reichen auf Kosten der Armen ihre Kapitale zu verzinsen? Und das ist doch am Ende das Fazit jeder Staatsschuld. Jede Staatsschuld ist eine Krücke und Krücken sind nur für Lahme. Die Sache ist zu wichtig, sie hier weiter zu erörtern. Ich weise Dich vorzüglich auf Humes Buch, als das beste, was mir über diesen Gegenstand bekannt ist.
    Sonderbar war es, daß man in dem letzten Jahre des Krieges bei der höchsten Krise Wien zum Waffenplatz machen wollte; das Schlimmste, was die Regierung für ihre Sache tun konnte! Wenn damals die Franzosen den Frieden nicht eben so nötig hatten wie die Deutschen, oder wenn Bonaparte andere Absichten hatte, als er nachher zeigte, so war das Unglück für die österreichischen Staaten entsetzlich. Was konnte man von den Vorspiegelungen erwarten? Es war bekannt, Wien hätte sich nicht acht Tage halten können; und welche Folgen hätte es gehabt, wenn es auf dem Wege der Gewalt in die Hände der Feinde gekommen wäre? Die Wiener waren zwar sicher, daß es nicht dahin kommen würde; aber eben deswegen waren die Vorkehrungen ziemlich verkehrt. Man hätte gleich mit Entschlossenheit der Maxime des Ministers folgen können, dessen übrige Verfahrungsart ich aber nicht verteidigen möchte. Hier hatte er ganz recht, wenn nur sonst die Kräfte gewogen gewesen wären: »Die Residenz ist nicht die Monarchie; und es ist manchem Staate nichts weniger als wohltätig, daß die Hauptstadt so viel Einfluß auf das Ganze hat.«
    Für Kunstsachen und gelehrtes Wesen habe ich, wie Dir bekannt ist, nur selten eine glückliche Stimmung; ich will Dir also, zumal da das Feld hier zu groß ist, darüber nichts weiter sagen. Du magst Dir von Schnorr erzählen lassen, der vermutlich eher zurückkommt als ich.
    Ich darf rühmen, daß ich in Wien überall mit einer Bonhommie und Gefälligkeit behandelt worden bin, die man vielleicht in Residenzen nicht so gewöhnlich findet. Selbst die schnakische Visitation an der Barriere wurde, was die Art betrifft, mit Höflichkeit gemacht. Den einzigen böotischen, aber auch echt böotischen Auftritt hatte ich auf der italienischen Kanzlei. Hier wurde ich mit meinem alten Passe von der Polizei um einen neuen gewiesen. Im Vorzimmer war man artig genug und meldete mich, da ich Eile zeigte, sogleich dem Präsidenten, der eine Art von Minister ist, den ich weiter nicht kenne. Er hatte nämlich meinen Paß von Dresden schon vor sich in der Hand, als ich eintrat.
    »Währ üß Ähr?« fragte er mich mit einem stierglotzenden Molochsgesichte, in dem dicksten Wiener Bratwurstdialekt. Ich ehre das Idiom jeder Provinz, solange es das Organ der Humanität ist; und die braven Wiener mit ihrer Gutmütigkeit haben in mir nur selten das Gefühl rege gemacht, daß ihre Aussprache etwas besser sein sollte. Ich tat ein kurzes Stoßgebetchen an die heilige Humanität, daß sie mir etwas Geduld gäbe, und sagte meinen Namen, indem ich auf den Paß zeigte.
    »Wu will Ähr hün?«
    »Steht im

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