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Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802

Titel: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johann Gottfried Seume
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noch weit entfernt, dem ersten Ort unsers Vaterlandes und der Residenz eines großen Monarchen durch seinen Gehalt Ehre zu machen.
    Den Herrn Kasperle aus der Leopoldstadt hat, wie ich höre, der Kaiser zum Baron gemacht; und mich deucht, der Herr hat seine Würde so gut verdient als die meisten, die dazu erhoben worden. Er soll überdies das wesentliche Verdienst besitzen, ein sehr guter Haushalter zu sein.
    Über die öffentlichen Angelegenheiten wird in Wien fast nichts geäußert, und Du kannst vielleicht monatelang auf öffentliche Häuser gehen, ehe Du ein einziges Wort hörst, das auf Politik Bezug hätte; so sehr hält man mit alter Strenge ebensowohl auf Orthodoxie im Staate wie in der Kirche. Es ist überall eine so andächtige Stille in den Kaffeehäusern, als ob das Hochamt gehalten würde, wo jeder kaum zu atmen wagt. Da ich gewohnt bin, zwar nicht laut zu enragieren, aber doch gemächlich unbefangen für mich hin zu sprechen, erhielt ich einigemal eine freundliche Weisung von Bekannten, die mich vor den Unsichtbaren warnten. Inwiefern sie recht hatten, weiß ich nicht; aber so viel behaupte ich, daß die Herren sehr unrecht haben, welche die Unsichtbaren brauchen. Einmal spielte mir meine unbefangene Sorglosigkeit fast einen Streich. Du weißt, daß ich durchaus kein Revolutionär bin, weil man dadurch meistens das Schlechte nur schlimmer macht; ich habe aber die Gewohnheit, die Wirkung dessen, was ich für gut halte, zuweilen etwas lauter werden zu lassen, als es vielleicht gut ist. So hat mir der Marseiller Marsch als ein gutes musikalisches Stück gefallen, und es begegnete mir wohl, daß ich, ohne irgendetwas Bestimmtes zu denken, ebenso wie aus irgendeinem anderen Musikstücke, einige Takte unwillkürlich durch die Zähne brumme. Dies geschah auch einmal, freilich sehr am unrechten Orte, in Wien, und wirkte natürlich wie ein Dämpfer auf die Anwesenden. Mir war mehr bange für die guten Leute als für mich, denn ich hatte weiter keinen Gedanken, als daß mir die Musik der Takte gefiel, und selbst diesen jetzt nur sehr dunkel.
    Ich erinnerte mich eines drolligen, halb ernsthaften, halb komischen Auftritts in einem Wirtshaus, der auf die übergroße Ängstlichkeit in der Residenz Bezug hatte. Ein alter, ehrlicher, eben nicht sehr politischer Oberstleutnant hatte während des Krieges bei der Armee in Italien gestanden und sich dort gewöhnt, recht jovialisch lustig zu sein. Seine Geschäfte hatten ihn in die Residenz gerufen, und er fand da an öffentlichen Orten überall eine Klosterstille. Das war ihm sehr mißbehaglich. Einige Tage hielt er es aus, dann brach er bei einem Glase Wein echt soldatisch laut hervor und sagte mit recht drolliger Unbefangenheit: »Was, zum Teufel, ist denn das hier für ein verdammt frommes Wesen in Wien? Kann man denn hier nicht sprechen? Oder ist die ganze Residenz eine große Kartause? Man kommt ja hier in Gefahr, das Reden zu verlernen. Oder darf man hier nicht reden? Ich habe so etwas gehört, daß man überall lauern läßt: ist das wahr? Hole der Henker die Mummerei! Ich kann das nicht aushalten, und ich will laut reden und lustig sein.« Du hättest die Gesichter der Gesellschaft bei dieser Ouvertüre sehen sollen! Einige waren ernst, die andern erschrocken; andere lächelten, andere nickten gefällig und bedeutend über den Spaß; aber niemand schloß sich an den alten Haudegen an. »Ich werde machen«, sagte dieser, »daß ich wieder zur Armee komme; das tote Wesen gefällt mir nicht.« Als die Franzosen bis in die Nähe von Wien vorgedrungen waren, soll sich, die Magnaten und ihre Kreaturen etwa ausgenommen, niemand vor dem Feinde gefürchtet haben; aber desto größer war die allgemeine Besorgnis vor den Unordnungen der zurückgeworfenen Armee. Damals fing Bonaparte eben an, etwas bestimmter auf seine individuellen Aussichten loszuarbeiten, und hat dadurch zufälligerweise den Österreichern große Angst und große Verwirrung erspart.
    Doktor Gall hat eben einen Kabinettsbefehl erhalten, sich es nicht mehr beigehen zu lassen, den Leuten gleich am Schädel anzusehen, was sie darin haben. Die Ursache soll sein, weil diese Wissenschaft auf Materialismus führe.
    Man sieht auch hier in der Residenz nichts als Papier und schlechtes Geld. Das Lenkseil mit schlechtem Gelde ist bekannt; man führt daran, so lange es geht. Das Kassenpapier ist noch das unschuldigste Mittel, die Armut zu decken, so lange der Kredit hält. Aber nach meiner Meinung ist für den Staat

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