Spiel mir das Lied vom Wind
das Bild, das sie sich von ihm am Telefon gemacht hatte. An diesem Punkt angekommen, wollte Sonja nur noch weg. Hastig leerte sie ihr Glas, aber Harry Konelly winkte ein neues für sie herbei und stellte die Frage aller Fragen: »Sind Sie öfter hier?«
»Sollte ich?«, fragte Sonja kampfeslustig zurück.
»Ist doch gemütlich hier, oder?«
Gerda brachte das neue Kölsch, Konelly bedeutete ihr, einen Strich auf seinem eigenen Deckel zu machen.
»Kommt nicht infrage!«, protestierte Sonja.
Gerda blickte erstaunt von ihm zu ihr und machte einen weiteren Strich auf Sonjas Deckel. Konelly störte das nicht. Er hatte auch Besseres zu tun. Er begutachtete Sonja wie eine zugelaufene Katze. Behalte ich sie oder bringe ich sie ins Tierheim? Interessiert verfolgten die Thekenbrüder die Szene. Sonja schob das Kölsch weg und starrte darauf wie auf einen vergifteten Becher.
»Sie gefallen mir«, beschloss Konelly seine Analyse.
Sie hatte es geahnt. Sie hatte ein Talent, den falschen Männern zu gefallen. Sie verfluchte die Idee, auf eine und insbesondere seine Bekanntschaftsanzeige geantwortet zu haben. Das war das Dümmste, das sie je in ihrem Leben angestellt hatte. Kerstin Warenka, die Kartenlegerin, gehörte an den Pranger. Sie verstand von der Hellseherei so viel wie Davis und West vom Fußball. Zeit zu gehen.
Was Sonja auf dem Hocker hielt, war nur noch Neugier. Wie weit würde dieser Konelly gehen?
»Nun trinken Sie schon«, forderte er sie auf. »Wir zwei machen uns en schönen Abend, ne?«
»Vergessen Sie es.«
»Wenn es Ihnen hier drin nicht gefällt, können wir auch woanders hingehen.«
Konelly kapierte es einfach nicht. »Zu dir oder zu mir?«, fragte Sonja bissig zurück.
Er zuckte mit den Schultern und lächelte irritiert. »Ich wohne gleich um die Ecke.«
»Wie praktisch.«
»Nicht wahr?« Konelly ließ seinen linken Arm sinken und herumbaumeln, bis seine Hand zufällig auf Sonjas Rücken landete und dort zu tätscheln begann.
Sonja stellten sich die Nackenhaare auf.
»He! Mann!«, rief einer der Thekenbrüder herüber, den die anderen Theo nannten. »Lass die Frau in Ruh.«
Konelly drehte den Kopf zu ihm. »Was geht dich das an?« Er legte seine Hand auf Sonjas Hand. »Na, na. Stell dich ma nich so an. Ich beiß doch nich.«
Sonja presste die Lippen aufeinander. Sie schloss die Augen. Sie konzentrierte sich. Konelly wusste nicht, dass er sich am Abgrund befand. Sie zählte. Drei - zwei - eins - jetzt. Seine Hand, darunter ihre Hand, die zur Faust geworden war, schnellten gemeinsam hoch bis zu dem Punkt, an dem Konelly sich selbst einen Kinnhaken verpasste. Als er dabei vom Hocker rutschte und in die Knie ging, lag Sonjas Hand bereits wieder seelenruhig auf der Theke. Als Konelly sich aufrappelte, das Kinn hielt und seinen Kiefer kontrollierte, griff Sonjas Hand zum Kölschglas.
»Prost, meine Herren!«, rief sie den vier Thekenbrüdern zu. Anerkennend hoben sie ihr Glas. »Dat haste jut jemacht, Mädchen!«
»Eingebildete Ziege!«, schimpfte Konelly. »Meinste, du wärst was Besseres? He?«
»Halt bloß die Schnauze!«, rief Theo. »Sonst kristet met uns ze dunn.«
»Ihr habt se ja nich mehr alle!« Konelly zeigte allen einen Vogel.
Gerda mischte sich nur insofern ein, als sie Konellys Bierdeckel abrechnete. »Macht 13,70 Euro. Aber dalli! Und nix wie raus hier!« Sie wies unmissverständlich zur Tür.
Konelly warf einen 20-Euro-Schein auf die Theke. »Ihr könnt mich mal.«
»Gerne!«, riefen ihm die Thekenbrüder nach.
Der Spieler stellte ihm ein Bein. Konelly stolperte hinaus. Die Tür fiel hinter ihm zu. Alle atmeten auf.
»Komm, Mädchen«, forderte Theo Sonja auf. »Wir spendier‘n dir ein Kölsch.«
Sonja rückte auf. Sie schnorrte eine Zigarette.
»Den hab ich hier noch nie gesehen«, meinte Gerda mit grimmiger Miene, während sie zapfte. »Und der kommt mir hier auch nicht wieder rein.«
»Guter Schlag«, lobte Theo Sonja. »Selbstverteidigungskurs, was?«
»Mehr als einen.«
»Den sollten Sie glatt anzeigen wegen Nötigung oder wie das heißt.«
»Ja«, sagte Sonja und nippte am Kölsch. »Hätte ich machen können. Aber er hat seine Lektion ja bekommen.«
»Sie kannten den Mann nich’ – oder etwa doch?«
»Kennen ist zu viel gesagt. Wir waren hier verabredet. Ich kenne ihn nur vom Telefon.«
»Ah!«, machte Theo. Seine Freunde schwiegen und beugten sich vor, um das Gespräch verfolgen zu können. Gerda stellte den CD-Player leiser. »Was
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