Splitterndes Glas - Kriminalroman
Stephen begonnen hatte, und überlegte sich schon, welches von Irenes Bildern auf dem Umschlag am besten aussehen würde. Jetzt, wo alles ans Licht gekommen war, würden Princes Einwände vielleicht verstummen.
Ein unentschiedener Frühling wurde zum frühen Sommer. Die Nächte wurden kürzer, und Will konnte jetzt morgens laufen, ohne eine Neonweste zu tragen. Lorraine hatte sich gut in ihren neuen Job eingearbeitet, aber obwohl Will bereit war zu helfen, arbeitete er meistens sehr lange, und sie musste sich anstrengen, immer mehr in immer kürzerer Zeit zu erledigen.
Sie nahm sich jedoch die Zeit, mit Jake schwimmen zu gehen, und war begeistert von seinen platschenden fieberhaften Versuchen, sich über Wasser zu halten, von der Freude, mit der er seine rundlichen Fäuste ins Wasser schlug und alle und jeden bespritzte. Susie konnte inzwischen krabbeln und nichts war vor ihr sicher: Sie zog Bücher und CDs aus den Regalen, zerrte Laken und Kissen auf den Boden, grub ihre Finger in die dunkle Gartenerde und steckte sie dann in Mund und Ohren.
Das Verhältnis zwischen ihr und Will hatte sich angenehm entspannt und eingependelt; wenn es Spannungen gab, so wurden sie schnell durch ein Lachen entschärft oder durch eines der Kinder, das Aufmerksamkeit brauchte. In den meisten Nächten lagen sie nebeneinander, berührten |422| sich aber kaum, wenn aber eine Hand oder ein Arm zufällig oder absichtlich eine Brust oder einen Schenkel streifte und sie aufwachten, liebten sie sich mit einer Heftigkeit, die sie seit dem Beginn ihrer Beziehung und den frühen Tagen ihrer Ehe nicht mehr erlebt hatten.
Ihr wurde klar, dass sie ihn wirklich liebte. Die Stärke ihres Gefühls machte sie sicher, beunruhigte sie aber auch ein wenig.
Sie war in der Küche und bereitete Jakes Abendessen vor, während im Hintergrund das Radio lief, und da hörte sie es: Die Leiche einer Frau war aus einem Entwässerungsgraben in den Cambridgeshire Fens geborgen worden. Will hörte die Nachricht auf dem Nachhauseweg, als er ausnahmsweise früh hatte gehen können, was ihn natürlich freute. Er schaltete vom lokalen zum überregionalen Sender und wieder zurück, aber über die Tatsache hinaus, dass die Frau ertrunken war, wurden keine weiteren Einzelheiten gebracht.
Die Hauptnachrichten im Fernsehen um zehn Uhr brachten die Meldung an zweiter Stelle, eingeklemmt zwischen verschärften Spannungen im Nahen Osten und Englands Vorbereitungen auf die Fußball-WM. »Die Leiche der Frau, die in einem Straßengraben im Feuchtgebiet zwischen Ely und Isleham ertrunken ist, wurde inzwischen als die der fünfzigjährigen Lily Prince identifiziert, der Mutter der Schauspielerin Natalie Prince.« Ein Foto von Lily, das einige Jahre zuvor aufgenommen worden war, erschien auf dem Bildschirm und überlagerte die Bilder, die aus Archivmaterial über die Fens zu bestehen schienen. »Durch einen bizarren Zufall«, fuhr die Stimme fort, »starben die Tante der Toten und ihr Großvater vor etwas über zwanzig Jahren auf derselben Strecke, als ihr Wagen von der Straße abkam und in den Entwässerungsgraben geriet, der daneben verläuft.«
|423| »Das ist unglaublich«, sagte Lorraine.
»Es wird angenommen, dass der Ehemann der Verstorbenen«, sagte der Nachrichtensprecher, »der Geschäftsmann und Bauentwickler Howard Prince, der sich im Ferienhaus des Ehepaares in Frankreich aufhielt, als sich das Unglück ereignete, umgehend nach England zurückfliegen wird. Laut einer von Mr Princes Anwalt herausgegebenen Mitteilung hatte Mrs Prince seit einigen Jahren unter gesundheitlichen Problemen gelitten und sich einer Therapie unterzogen.«
»Arme Frau«, sagte Lorraine und griff nach Wills Hand.
Weil Howard Prince ihn darum gebeten hatte, suchte Will ihn etwa zehn Tage später auf. Noch mehr Dinge standen im Raum und hatten ihm wieder eine Reihe von unruhigen Nächten beschert. Vom Haus aus liefen sie über Feldwege zum Fenn; es war ein nichtssagender grauer Tag, an dem der Himmel ganz niedrig über dem Land zu liegen schien.
»Dies ist der Weg, den sie genommen haben muss«, sagte Prince. »Nie zuvor war es ihr gelungen, so weit zu kommen.«
Nebel erhob sich in Schwaden aus dem tiefen Wasser, als sie sich näherten. Der Boden unmittelbar über dem Graben war rutschig, der Rand war teilweise unter dem rötlichgelben Schilf versteckt, das auf der Böschung wuchs. Es war nicht schwer, hier die Balance zu verlieren, auszurutschen und zu fallen. Obwohl Will
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