Staatsverschuldung
Vorwort
Die Ereignisse der Jahre 2009 bis 2012 haben einer breiteren Öffentlichkeit deutlich gemacht, dass nicht nur Privatpersonen und Unternehmen, sondern auch Staaten insolvent werden können – selbst wenn sie hochentwickelt und reich sind. So haben die Staaten der Europäischen Union (EU) in einer spektakulären Rettungsaktion einen voluminösen finanziellen Rettungsschirm aufgespannt, um drohende Staatsbankrotte und damit ein Auseinanderbrechen der Eurozone zu verhindern. Europas Bürger müssen schockiert feststellen, dass ihre Staatsfinanzen alles andere als sicher sind. Staaten am Rand des Bankrotts werden drakonische Sparmaßnahmen auferlegt, die sie in tiefe Anpassungsrezessionen stürzen, die – wie im Fall von Griechenland – ein Land nicht nur wirtschaftlich, sondern auch sozial zu ruinieren drohen. Die Europäische Zentralbank greift zu umstrittenen Maßnahmen wie dem Aufkauf von Staatsschuldtiteln. Das hat man sich bei der Euro-Einführung so nicht vorgestellt.
Staatsverschuldung ist aber nicht nur ein europäisches, sondern ein weltweites Problem. Was geschieht, wenn ein Staat seine Zinszahlungen nicht leisten oder seine Schulden nicht mehr refinanzieren kann? Wie kann es überhaupt so weit kommen? Wen belastet die zunehmende Verschuldung der Staaten mehr, Bürger mit geringerem Einkommen oder Wohlhabendere? Was darf, was kann, was muss ein Staat an Verschuldung hinnehmen? So ganz einfach lassen sich diese Fragen nicht beantworten. Nicht jede staatliche Verschuldung ist negativ zu beurteilen, und nicht jeder verschuldete Staat muss zwangsläufig in einen Staatsbankrott schlittern.
Dieses Bändchen will differenzierte Antworten geben. Es soll Lesern ohne Vorkenntnisse in Ökonomie einen Überblick über das Thema Staatsverschuldung geben und ihre Urteilsfähigkeitsteigern. Dabei verzichten wir zu Gunsten von Kürze und Prägnanz teilweise auf die vollständige Wiedergabe der wissenschaftlichen Argumente und Studien. Wichtig ist uns vielmehr, dass die zentralen Argumente so ausgeführt werden, dass man sie versteht. Staatsverschuldung geht uns alle an, denn es sind unsere Schulden, über die wir da sprechen.
I. Grundlagen: Das Einmaleins der Staatsverschuldung
1. Interne und externe Staatsverschuldung
Was angesichts der Griechenland-Krise den Bürgern des heutigen Europas so spektakulär vorkommt – ein drohender Staatsbankrott in der Mitte ihrer Gemeinschaft –, ist aus historischer Perspektive betrachtet nichts Neues: Die Ökonomen Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart haben alleine für die vergangenen 200 Jahre rund 320 Staatspleiten gezählt[ 1 ]. Unter den Staaten, die ihre Schulden nicht zurückzahlten, finden sich Nationen wie Spanien, Dänemark, England, Japan und auch Deutschland. Zu den Spitzenreitern gehört übrigens Argentinien, das alleine zwischen 1980 und 2001 dreimal seine Schulden nicht begleichen konnte. Nach einem Blick in die Geschichtsbücher darf man also auch als Bürger eines vermeintlich reichen Industriestaates eigentlich nicht überrascht sein, wenn das Heimatland den Schuldendienst einstellt.
Wann aber ist ein Staat pleite? Bei Privatpersonen und Unternehmen lässt sich das einfach feststellen: Sobald ein Unternehmen (oder eine Privatperson) nicht mehr in der Lage ist, seine (bzw. ihre) Schulden zu bedienen (also Zinsen zu bezahlen) oder sie zurückzuzahlen, ist es (oder sie) insolvent. Denkt man aber einen Moment nach, so stellt man fest, dass es einen entscheidenden Unterschied zwischen Unternehmen, Privatpersonen und Staaten gibt: Ein Staat kann sich jederzeit neue Einnahmen verschaffen. Wenn ein Unternehmen seine Schulden nicht zurückzahlen kann, so liegt das daran, dass seine Einnahmen nichtausreichen, um seine Rückzahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Es kann seine Einnahmen nicht einfach steigern. Ein Staat hingegen kann im Zweifelsfall neue Einnahmen generieren, indem er die Steuern erhöht, die ja seine Einnahmen darstellen. Steuern sind schließlich nach der Legaldefinition in § 3 der Abgabeordnung definiert als «Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen (...)». Mit anderen Worten, Steuern sind Zahlungen an den Staat ohne Anspruch auf eine Gegenleistung des Staates. So gesehen kann ein Staat nicht insolvent werden: Braucht er mehr Geld, um seine Schulden zu begleichen, so kann er einfach die Steuern erhöhen.
Ganz richtig ist der letzte Satz allerdings nicht, wenn sich der Staat gegenüber dem Ausland
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