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Stadt der blauen Paläste

Stadt der blauen Paläste

Titel: Stadt der blauen Paläste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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Augen, wenn sie etwas nicht hören oder beantworten wollte. Sie verbrachte die meiste Zeit auf ihrer Schlafbank, gab vor, dass der gebrochene Fuß noch immer Schmerzen bereitete, obwohl der Unfall inzwischen Monate zurücklag. Und ließ sich von ihrer Freundin Diana versorgen. Oder von Bianca, die dies mit Inbrunst tat. So eine Schwiegertochter wäre genau das, was sie sich erhoffte, sagte sie nicht nur einmal, wenn Crestina zu Besuch war.
    Und Bianca tat genau das, was sie ihrer Meinung nach am besten in die Rolle der Schwiegertochter hineinwachsen ließ.
    »Wie wird es sein, wenn wir irgendwann einmal heiraten?«, fragte sie eines Tages und ließ Lea damit doch ein kurzes Erschrecken zeigen.
    »Du meinst …«, fragte Lea zögernd, »… du meinst, wenn du Moise heiratest?«
    Bianca schaute sie verblüfft an.
    »Natürlich Moise, wen denn sonst?«
    Lea, die soeben dabei war, Wäsche zusammenzulegen, strich über das leinene Hemd, das sie soeben hochgenommen hatte, einmal, zweimal, dann zerrte sie es ein drittes Mal in die Breite.
    »Das geht immer noch ein, obwohl ich es schon x-mal gewaschen habe«, sagte sie dann verärgert, ohne dabei aufzublicken. »Man sollte es immer gleich aufhängen, wenn man es gewaschen hat, und sofort zurechtziehen«, fuhr sie dann fort, in einem Tonfall, als wolle sie in der Jeschiwa einem Schüler irgendwelche Gesetzestexte eintrichtern.
    »Ich wollte ja nur wissen, wie so eine Hochzeit abläuft, damit ich mich darauf einstellen kann«, versuchte Bianca zu erklären.
    Lea legte das Hemd auf den Stapel und lachte.
    »Nun, zunächst braucht man dazu einen Bräutigam«, sagte sie dann und nahm das nächste Wäschestück zur Hand.
    Bianca lachte nicht, sondern schaute Lea nur ernst an.
    »Weißt du, so eine Hochzeit ist natürlich meist überall ein wenig anders«, wich Lea aus.
    »Aber es muss doch Rituale geben, die gleich sind«, beharrte Bianca, »die Ketubba, der Ehevertrag, der Baldachin und –«
    »Ja, natürlich«, unterbrach Lea sie hastig, »natürlich ist die Ketubba etwas, was in jedem Fall zu einer Hochzeit dazugehört, ein Dokument, in dem zum Beispiel steht, wie der Unterhalt in der Ehe geregelt ist. Der Baldachin hängt davon ab, ob er in der Synagoge oder im Freien steht.«
    »Wie war es denn bei Samson, bei Aaron oder bei Diana, bei deiner Freundin?«
    »Nun, Samsons Hochzeit fand nicht hier statt, sondern im Serraglio in Rom. Und was dort war, ich meine, was sie dort zugelassen haben, weiß ich nicht«, sagte Lea abwertend, so, als habe diese Hochzeit auch geradeso gut unter einem Kreuz stattfinden können. »Und Aaron ist überhaupt nicht verheiratet«, sie zögerte, »zumindest nehme ich das mal an. Schließlich lebt er schon seit Jahren im Heiligen Land, in Safed, und studiert die Heiligen Schriften.«
    »Er dürfte doch aber verheiratet sein«, fragte Bianca irritiert, »er ist doch nicht etwa zum Christentum übergetreten und Priester geworden?«
    Lea schüttelte entsetzt den Kopf.
    »Wo denkst du denn hin? Natürlich nicht. Das heißt nur, dass ich schon seit ewigen Zeiten nichts mehr von ihm gehört habe.«
    Bianca nahm das nächste der Wäschestücke aus dem Korb und zog es gerade.
    »Dann erzähl mir doch einfach, wie es bei dir war«, schlug sie vor, »daran wirst du dich ganz gewiss ja noch erinnern.«
    Lea schmunzelte.
    »Und ob ich mich daran erinnere, und ob! Und Abram war natürlich –«
    »Wie hast du ihn überhaupt kennen gelernt, diesen Abram?«
    »Kennen gelernt«, Lea besann sich einen Augenblick, dann begann sie lauthals zu lachen.
    »War das so lustig?«, wunderte sich Bianca.
    Lea bekam beinahe einen Lachanfall, sodass ihr Bianca schließlich irritiert auf den Rücken klopfte.
    »Du wirst es ja nicht glauben, aber wir haben … nun, wir haben um ihn gewürfelt.«
    Bianca ließ einen Tallit, den sie zusammenlegen wollte, auf den Boden fallen.
    »Wie bitte?«
    »Also, es war das Nüssespiel, bei dem ich ihn gewann. Indirekt. Eigentlich hätte er gar nicht mir gehören dürfen.«
    »Wie kann man denn einen Mann beim Würfelspiel gewinnen?«
    »Nun, wir haben um Freier gewürfelt«, erwiderte Lea heiter, nur mühsam das Lachen verhindernd.
    »Um Freier gewürfelt?«
    »Also, das war so. Du kennst ja Diana, meine Freundin. Sie war von jeher die mutigere von uns beiden, sie fragte nie lange, wie etwas ausgehen konnte. Sie tat es einfach. Und wenn es dann anders wurde, als sie es sich vorgestellt hatte, so wurde es eben anders, ohne dass sie lange

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