Der Gringo Trail: Ein absurd komischer Road-Trip durch Südamerika
Kapitel 1
Ecuador: Mama Negra
Unterhaltungsprogramm im Flugzeug
Auf dem Flug von London nach Quito nahm Mark seine letz ten siebzig Pilze ein. Wie sie ihn überhaupt nach Ecuador hineingelassen haben, ist mir ein Rätsel. In einem lila Sportanzug schritt er (Mark pflegte überall zu schreiten) über die Rollbahn in Richtung des großen Hangars, der als Ankunftshalle herhielt. Sein Kopf und seine Schultern überra gten alle Ecuadorianer und die meisten Touristen. Sein Haar war ein wirres Durcheinander. Seine Pupillen waren furchtbar geweitet. Die Adern an seinen Armen und seinem Hals waren angeschwollen. Me lissa und ich warteten draußen und beobachteten ihn (es ist ein klei ner Flughafen), wie er zuerst die Zollbeamten und dann die Beamten von der Einwanderungsbehörde wie ein Wahnsinniger angrinste. Er hätte nicht verdächtiger aussehen können, wenn er sich leuchtend pink angemalt und „vollgedröhnt“ auf seine Stirn geschrieben hätte.
Sie ließen Mark durch. Ecuadorianische Beamte achten wohl nicht sonderlich darauf, ob jemand halluzinogene Drogen nach Südamerika hineinschmuggelt . Marks Drogen waren sowieso si cher in einem Körper verwahrt, als er das Flugzeug verließ. Da er gerade in der zweithöchstgelegenen Hauptstadt der Welt aus einem englischen Flugzeug ausstieg, könnten seine wilden Augen und sein dummes Grinsen auch einfach eine Folge von Sauer stoffmangel gewesen sein. Es war ein schlechtes Vorzeichen.
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Flughafen Charles de Gaulle
Bevor wir England verlassen hatten, hatte ich Mark und Melissa das Versprechen abgenommen, dass wir unter keinen Umständen Drogen über irgendwelche internationale Grenzen mitnehmen wür den. Nach Antritt der Reise hielt das Versprechen gerade mal eine Stunde lang – bis Melissa und ich in Charles de Gaulle umstiegen und Melissa ein Paar fertiggedrehte Joints herauszog. Sie zu rauchen wäre, wie sie betonte, der schnellste Weg, sie verschwinden zu lassen. „Wir könnten sie wegwerfen“, wagte ich vorzuschlagen. Melissa wischte schwungvoll ihr langes braunes Haar aus dem Gesicht und sah mich traurig an. Nein. Einen Joint kann man wirklich nicht einfach so wegwerfen. Als wir hinter einer Reihe Gepäckwagen heimlich das Dope rauchten, dämmerte mir die Erkenntnis: Niemand würde dem, was ich sagte, jemals die ge ringste Beachtung schenken. Nicht, dass das meine Aufgabe war. Aber immerhin hatte ich die ganze Arbeit mit der Reiseplanung gehabt.
„Du hast die Tickets, die Versicherung, die Route und was wir mitnehmen und alles organisiert … was ist meine Aufgabe?“, hat te Mark gefragt. „Du kannst die Drogen besorgen“, hatte ich vorgeschlagen. Mark hatte den kompletten Flug verpasst und ihn um drei Wochen verschoben, während er sich durch die ca. 2000 Magic Mushrooms hindurchgearbeitet hatte, die in seinem Wohnzim mer trockneten. So kam es, dass Melissa und ich schon in Quito auf ihn warteten. Ich wusste, wenn Mark nach Südamerika kam, würde richtig Schwung in die Bude kommen. Ich wusste auch, dass er furchtbar nerven würde. Wie sich herausstellte, hatte ich in beiden Hinsichten Recht.
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Drückeberger
Mark war wahrscheinlich der intelligenteste Mensch, den ich kannte. Auf jeden Fall dachte er das. Ich erinnere mich daran, wie Mark mir, während wir vor ein paar Jahren beim Glastonbury Festival herumliefen, die ganze Nacht lang erklärte, warum Sinus- und Cosinus-Funktionen für das Funktionieren des gesamten Universums entscheidend sind. Das alles ergab Sinn. Während er sprach, erwachten Sinus- und Cosi nus-Funktionen zum Leben, tanzten über die Felder und sangen in der Luft. Sie bedeuteten mir etwas. Ich vergaß jedes Wort sofort wieder. (Na ja, ich war auf einem Trip.) Die meisten Leute, die über Mathe, Chemie und solches Zeug länger als, sagen wir, drei Sekun den reden, rangieren gesellschaftlich nur knapp unter einem Fuß pilz. Aber Mark konnte so etwas rüberbringen, sogar bei Leuten, die ich für ernsthaft gefährlich hielt – z.B. bei Leuten, die Autos stahlen, um vom Pub nach Hause zu kommen. Natürlich hatte es auch etwas damit zu tun, dass er immer der letzte war, der in jedem Drogen-Wettbewerb noch auf den Beinen stand. Einem wie ihm stand es zu, über Cosinus-Funktionen zu reden.
Ursprünglich hatte ich Mark an der Universität kennen gelernt, wo er Anthropologie und ich Politik studiert hatte. Die letzten zwei Jah re war er allerdings arbeitslos gewesen – und glücklich dabei. Dazwi schen war er der
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