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Stadt unter dem Eis

Titel: Stadt unter dem Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Greanias
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Amerikaner dranzukriegen, zwischen den Fingern zerrann. Erschöpft und gereizt stand er schon kurz davor, ans Basislager zu funken, dass sein Team zur Umkehr bereit sei, als der Konvoi auf ein Hindernis stieß.
    Anscheinend war der rote Hägglunds, der da aus dem Eis ragte, mit blockierten Ketten in eine Spalte gerutscht. Der Transporter stand mit zerstörtem Führerhaus in leichter Schräglage da.
    Baylander fluchte und teilte den Konvoifahrzeugen über Funk mit, dass sie anhalten sollten. Während er sich seine maßgefertigten Plastikschneeschuhe anlegte, beschloss er, den Motor laufen zu lassen. Mit einem Ruck riss er dann die Kabinentür auf, sprang nach draußen und bahnte sich mit weit ausholenden Schritten einen Weg durch den hüfthohen Schnee.
    Mit grimmiger Miene lief er einmal um das Wrack herum und inspizierte es. Hinter der zersprungenen, beschlagenen Windschutzscheibe erregte etwas seine Aufmerksamkeit. Er beugte sich vor, um es genauer zu betrachten. Im Inneren befand sich eine wie im Mutterleib zusammengerollte Gestalt. Ein Erfrorener. Wenn es ein Amerikaner war, hätte er endlich den Beweis. Baylander richtete sich wieder auf und lief zum Führerhaus.
    Ihm war klar, dass der Türgriff nicht funktionieren konnte, aber er versuchte es trotzdem. Er war wie vermutet festgefroren. Mit seinem Metallstab schlug Baylander das Seitenfenster ein und kletterte dann vorsichtig hinein.
    Der Mann lag quer über den Ledersitzen. Baylander drehte ihn auf den Rücken. Das kreidebleiche Gesicht hatte einmal einem relativ jungen, gut aussehenden Mann gehört. Baylander starrte eine Weile auf die geisterhafte Erscheinung und beugte sich dann vor, um zu horchen, ob der Mann noch atmete. Er hörte nichts.
    Baylander knüpfte den Mantel der Leiche auf, worauf eine UNACOM-Uniform zum Vorschein kam. Verdammter Mist, dachte er. Das muss einer von uns sein, von der Mannschaft, die zuerst hier war. Er konnte allerdings nichts finden, was den Mann identifiziert hätte.
    Um den Todeszeitpunkt festzustellen, sah er sich den Toten genauer an. Lange konnte er noch nicht tot sein, stellte er fest, höchstens 24 Stunden, weil der Körper gerade erst anfing, sich blau zu färben. Erstaunlich, wenn man bedachte, dass er schon eine ganze Zeit lang hier liegen musste. Das Führerhaus hatte dem Inspekteur wohl ausreichend Schutz vor Wind und Wetter geboten. Jedenfalls hatte er weit länger, als Baylander angenommen hätte, überlebt. Er vermutete, dass die letzten Stunden des Mannes eine Mischung aus halber Bewusstlosigkeit, Delirium und dem langsamen Versagen der lebenswichtigen Organe gewesen war. Alles in allem musste es ein ziemlich unangenehmes Ende gewesen sein.
    Baylander zog seine dicken Handschuhe aus und legte zwei Finger auf die Halsschlagader des Mannes. Zu seiner Verwunderung spürte er einen ganz schwachen Pulsschlag.

39
2. Tag danach
    Am Nachmittag darauf erwachte Conrad Yeats in einem Einzelzimmer der Krankenstation von McMurdo. Lange Zeit lag er ruhig da und wurde sich erst nach und nach bewusst, dass seine Hände bandagiert waren und seine Schulter sich in einer Schlinge befand. Und in seinem Kopf dröhnte es wie von Paukenschlägen. Mit einer verbundenen Hand betätigte er den Klingelknopf, aber die Navy-Krankenschwester, die hereinkam, beschied ihm lediglich, er solle still liegen bleiben.
    Also blieb er liegen und rekonstruierte Stück für Stück die Geschehnisse des Tags zuvor bis zum Vormittag. Er nahm einen Stift in seine bandagierte Hand und fertigte eine Zeichnung an. Danach schlief er wieder ein. Als er erneut aufwachte, saß eine Frau an seinem Bett. Sie lächelte.
    Er sah sie eindringlich an. »Genau wie in den Krankenzimmern früher – ein Bett und eine Schwester«, sagte er und versuchte zu lächeln, was aber ziemliche Schmerzen verursachte. Seine Stimme war kaum lauter als ein Flüstern. »Wie lange sitzt du schon da?«
    »Erst seit ein paar Minuten«, sagte Serena mit einem warmen Lächeln.
    Conrad wusste, dass sie nicht die Wahrheit sagte. Als er mitten in der Nacht einmal aufgewacht war, hatte er gesehen, wie sie im Sessel schlief. Er hatte gedacht, es wäre ein Traum gewesen. »Du lebst.« Er hielt ihr die Hand hin, und sie berührte seinen Verband.
    »Und du auch, Conrad.«
    »Und was ist mit den anderen?«
    »Alles in Ordnung.« Eine Träne glänzte auf ihrer Wange. »Das haben wir dir zu verdanken.«
    »Was ist mit Yeats?«
    Sie schien sich anzuspannen. »Er dürfte schon am Pluto vorbei sein,

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