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FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst

FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst

Titel: FreeBook Nomenclatura - Leipzig in Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tino Hemmann
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Die Menschen der mitteldeutschen Stadt Leipzig blieben an diesem Montagabend lieber zu Hause. Das Tiefdruckgebiet, das Mitteleuropa seit zwei Wochen fest im Griff hatte, sorgte für Regen und Sturm. Waren die Leute erst in ihren Wohnungen, dann störte sie dieser Umstand kaum. Mussten sie jedoch den heimischen Herd verlassen, dann forderte dies einige Überwindung.

    Jutta Krahmann – attraktiv, schlank, sportlich und von einem gerade zu Ende gehenden Kindergeburtstag gezeichnet – wühlte sich durch einen Berg von Krepp- und Bonbonpapier. Auf dem Fußboden lagen Girlanden- und Luftballonfetzen. Für die alleinstehende Mutter bedeutete der vorangeschrittene Abend, dass sie hinaus und die Geburtstagsgäste bei ihren Familien verteilen musste.
    „Jungs! Hallo! Hört mich jemand? Hallo!“
    Sechs geschaffte Kinder ignorierten die arme Frau, indem sie ihrer jeweiligen Beschäftigung nachgingen. Drei der neunjährigen Jungen schauten gespannt in eine Flimmerkiste und beobachteten die irren phantastischen Zeichentrickabenteuer von SpongeBob Schwammkopf, für Erwachsene so unverständlich, dass Mutter Krahmann nur den Kopf schütteln konnte. Zudem war der Ton sehr laut gedreht. Außerdem machten drei weitere Kinder, bei der aufwendigen Montage einer gigantischen Playmobil-Piratenburg, nicht weniger Krach, so dass die Stimme der völlig überforderten Frau untergehen musste.
    Was folgte, war die harte Lösung, auch wenn Kinderblicke töten konnten. Jutta Krahmann tätschelte nach der Fernbedienung, drückte derb auf den roten Knopf ... Es folgte eine Stille, nur noch kurz unterbrochen von einem abschließenden Knistern der Mattscheibe! Gewöhnlich war dies die Ruhe vor dem Proteststurm.
    „Ooch, bitte Mama!“ Das Geburtstagskind, Florian Krahmann, zwischen unzähligen Playmobilteilen kniend, sah das Ende einer durchaus erfolgreichen Geburtstagsparty gekommen. „Nur noch ein bisschen ...“
    Die Mutter blieb unnachgiebig, holte tief Luft und klatschte zweimal in die Hände. „Los Jungs, ich bring euch jetzt alle heim!“
    Widerwillig erhoben sich die jungen Besucher. Ihre Wangen waren rot und sie sahen recht müde aus.
    „Es ist schon dreiviertel Neun. – Und vergesst eure Preise nicht.“ Frau Krahmann hob einen zerplatzten Luftballon vom Boden auf, an dem ein zu drei Vierteln abgelutschtes Bonbon klebte und ließ den kleinen Batzen resignierend wieder fallen. Sie nahm ihren blonden Florian, kuschelte seinen Kopf. „Du weißt doch: Morgen ist wieder Schule. – Und, hat’s dir gefallen, mein großer Junge?“
    Florian nickte und gähnte dabei. „Kann ich mitkommen, wenn du sie nach Hause bringst?“
    „Dann müsst ihr zu viert hinten sitzen, wenn die Polizei ...“
    Ein erneutes „Ooch, bitte Mama“ reichte aus, die Gefahr einer Polizeikontrolle in die tiefste Unbedeutsamkeit rücken zu lassen.
    „He, Erik, du hast Flohs Jacke an!“, rief Frau Krahmann lachend, denn sie überwachte mit einem Auge die nun beginnende Anzieh-Orgie im viel zu engen Flur des Zweipersonenhaushalts.
    Erik, wie all die anderen Jungen Jahrgang 1996, grinste verlegen. „Upps ... Die sieht aber fast aus wie meine.“ Der beste Freund von Florian, in der Schule auch dessen Banknachbar, wirkte sehr groß, war schlank und dunkelblond. Schaute man Erik ins Gesicht, so konnte man sich des Gefühls nicht verwehren, ihm würde der Schelm aus den blauen Augen blitzen. Zudem zierte beim Lachen ein tiefes Grübchen seine linke Wange.
    Florian nahm Erik Schwarz die Jacke aus der Hand. „Mann, Erik, deine ist blau, und meine ist grün. Bist du vom Kindersekt besoffen?“ Lachte, und schubste den Freund ein wenig.
    Erik ließ für einen Moment seine von einem Lutscher grüngefärbte Zunge sehen und grinste weiter, während er umständlich die eigene Jacke überzog. Dann schlüpfte er in die Turnschuhe – fertig. „Ich hab meine Preise vergessen!“ Eilig lief Erik zurück ins Wohnzimmer und fand sein Tütchen mit den gewonnenen Spielsachen. Pfennigartikel, ein Überraschungsei, Lutscher ... „Bin fertig!“, rief er.
    Jutta Krahmann schlüpfte in die eigene Jacke, griff nach dem Autoschlüssel. „Na dann mal los!“
    Im Treppenhaus des sanierten Fünfgeschossers im Leipziger Süden wurde es deutlich lauter. Eine Etage tiefer wurde Thomas abgegeben, der im gleichen Haus wohnte und den kürzesten Weg zu Krahmanns hatte. Die Freundschaft zu Thomas Schmidt sollte Florian pflegen, denn Mutter Krahmann musste ihren Sohn häufig bei den Schmidts

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