Stark (Dark Half)
sich vage der Tatsache bewusst, dass sie sich zusammen mit einem verstümmelten Leichnam eingeschlossen hatte, aber das war nicht so schlimm. Ganz und gar nicht so schlimm, wenn man die Alternativen betrachtete.
Ganz allmählich kehrte ihre Kraft zurück, und sie war imstande, wieder auf die Füße zu kommen. Sie bog um die Ecke am Ende des Korridors und betrat die Küche, in der das Telefon stand. Sie hielt die Augen von dem abgewendet, was von Mr. Großmaul noch übrig war, aber das nützte nicht das mindeste; das Foto, das ihr Verstand aufgenommen hatte, würde sie noch lange in seiner grauenhaften Deutlichkeit vor sich sehen.
Sie rief die Polizei an, und als sie kam, wollte sie sie nicht einlassen bis einer der Beamten seine Dienstmarke unter der Tür hindurch geschoben hatte.
»Wie heißt Ihre Frau?« fragte sie den Polizisten, dessen Dienstmarke ihn als Charles F. Toomey jr. auswies.
Ihre Stimme war hoch und zittrig, ihrer normalen völlig unähnlich. Gute Freunde (wenn sie welche gehabt hätte) hätten sie nicht erkannt.
»Stephanie, Madam«, erwiderte die Stimme auf der anderen Seite der Tür geduldig.
»Ich kann das Revier anrufen und das nachprüfen, das wissen Sie doch!« kreischte sie fast.
»Ich weiß, dass Sie das können, Mrs. Eberhart«, entgegnete Stimme, »aber Sie werden sich schneller sicher fühlen, wenn Sie einlassen, meinen Sie nicht?«
Und weil sie immer noch fähig war, eine Polizistenstimme so mühelos zu identifizieren, wie sie den Geruch des Bösen identifiziert hattest schloss sie die Tür auf und ließ Toomey und seinen Kollegen ein. Sobald sie drinnen waren, tat sie etwas, was sie in ihrem ganzen Leben noch nie getan hatte: sie bekam einen hysterischen Anfall.
Siebentes Kapitel
Polizeiangelegenheiten
Als die Polizei kam, saß Thad in seinem Arbeitszimmer und schrieb.
Liz war im Wohnzimmer und las, während sich Wendy und William m ihrem großen Laufstall miteinander vergnügten. Sie ging zur Tür und schaute durch eines der schmalen Seitenfenster hinaus, bevor sie öffnete.
Das war eine Gewohnheit, die sie seit Thads »Debüt in People«, wie sie es scherzhaft nannten, angenommen hatte. Alle möglichen Leute — zum größten Teil flüchtige Bekannte, dazu eine gute Portion neugieriger Ortsansässiger und sogar ein paar völlig Fremde (übrigens ausschließlich Stark-Fans) - waren an ihrer Haustür aufgetaucht. Thad hatte es das »Besichtigungs-Syndrom des lebendigen Krokodils« genannt und vorausgesagt, dass es sich in ein bis zwei Wochen wieder geben würde. Liz hoffte, dass er recht hatte. Dennoch fürchtete sie, könnte es sich bei einem der fremden Besucher um einen irren Krokodiljäger handeln, einen von der Sorte des Mörders von John Lennon, und deshalb schaute sie zuerst durch das Seitenfenster hinaus. Sie wusste nicht, ob sie einen echten Irren erkennen würde, wenn sie ihn vor sich sah, aber sie konnte zumindest dafür sorgen, dass Thads Gedanken während der zwei Stunden, die er jeden Vormittag am Schreibtisch verbrachte, nicht abschweiften. Danach ging er selbst zur Tür, wobei er ihr immer einen Blick zuwarf, der sie an einen schuldbewußten kleinen Jungen erinnerte und bei dem sie nicht recht wusste, wie sie reagieren sollte.
Bei den drei Männern, die an diesem Samstagvormittag vor der Tür landen, handelte es sich allem Anschein nach weder um Fans von Beaumont oder Stark noch um Irre - es sei denn, sie wären neuerdings dazu übergegangen, Streifenwagen der Staatspolizei zu benutzen. Sie öffnete die Tür und verspürte das leise Unbehagen, das die meisten unbescholtenen Bürger empfinden, wenn die Polizei erscheint, ohne gerufen worden zu sein. Wenn sie Kinder gehabt hätte, die bereits so groß waren, dass sie an diesem regnerischen Samstagvormittag draußen herumtollten, hätte sie sich vermutlich schon jetzt gefragt, ob ihnen vielleicht etwas passiert war.
»Ja?«
»Sind Sie Mrs. Elizabeth Beaumont?« fragte einer von ihnen.
»Ja, die bin ich. Kann ich Ihnen helfen?«
»Ist Ihr Mann zu Hause, Mrs. Beaumont?« fragte ein zweiter. Diese beiden trugen identische graue Regenmäntel und Polizeimützen.
Nein, das ist der Geist von Ernest Hemingway, den Sie da oben auf der Schreibmaschine hämmern hören. Diese Antwort kam ihr in den Sinn, aber natürlich sprach sie sie nicht aus. Zuerst kam die Angst, ob jemand einen Unfall gehabt hatte, denn das Phantom-Schuldbewusstsein, das einen drängte, etwas Grobes oder Sarkastisches zu sagen, etwas, das
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