Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
Verwundeten ein. Diesen zweiten Mann konnte der junge Bursche auch noch abwehren, aber gegen den dritten Angreifer war der Fähnrich machtlos: Er tauchte hinter ihm auf und schlug dem Burschen hart auf die Schulter; die Klinge drang tief in den Oberkörper. Steel musste mit ansehen, wie der Bursche vor Schmerzen das Gesicht verzog und dann mit schreckgeweiteten Augen zu Boden sank. Der grinsende Kavallerist jedoch streckte die Hand aus und griff sich die Standarte von dem sterbenden Engländer. Er riss die helle, blutverschmierte Fahne hoch und sprengte mit einem Jubelruf zurück zu den eigenen Linien.
Das war zu viel. Steel packte Slaughter bei der Schulter. »Jacob, die Fahne.«
»Nicht Euer Ernst, Sir. Wir haben keine Chance. Das ist Selbstmord.«
»Kommt Ihr nun mit oder nicht? Jetzt oder nie.«
Er suchte Williams zwischen all den Soldaten. »Tom, sagt Captain Laurent, dass ich die Grenadiere mitnehme. Er hat das Kommando.«
Steel nahm das Gewehr von der Schulter und bahnte sich, den Degen in der anderen Hand, seinen Weg durch die Flanke der Formation, in Richtung der französischen Kavallerie. »Grenadiere, mir nach!«
Die halbe Kompanie und einige von Hansams Leuten lösten sich aus dem sicheren Stand des Rechtecks, gefolgt von Slaughter. »Verfluchter Mist. Auf geht’s. Wartet, Sir. Komme schon.«
Sie liefen in gefährlich offener Formation und riskierten, jeden Augenblick von den Kavalleristen entdeckt zu werden. Unbeirrt hielt Steel auf ein Bataillon blau uniformierter Hessen zu, die er weiter rechts erspäht hatte. Bislang hatten die Kämpfer aus den deutschen Landen auf dem Marschboden gelegen, um dem Kanonenbeschuss zu entkommen.
Als Steel und seine Männer näher kamen, rief der deutsche Offizier einen Befehl, worauf die Soldaten aufsprangen und zu Steels Erstaunen schnell und gekonnt eine Verteidigungsformation einnahmen. Es waren Grenadiere. Steels genaues Gegenstück aus der Armee der Landgrafschaft Hessen-Kassel. Sie trugen spitze Hüte mit Verzierungen, die noch feiner aussahen als die von Farquharsons Männern. Die dunkelblauen Uniformröcke waren gefüttert und mit roten Manschetten abgesetzt; am auffälligsten jedoch waren die Kniestrümpfe in einem erschreckenden Scharlachrot. Erst jetzt fiel Steel auf, dass alle Männer dieser Abteilung Schnauzbärte trugen. Er trat zu dem Offizier der Kompanie und machte eine kleine Verbeugung. Der Deutsche erwiderte die höfliche Geste.
»Leider spreche ich kein Deutsch«, begann Steel.
»Ich spreche ein wenig Englisch, Lieutenant. Das dürfte genügen. Hauptmann Rodt. Grenadiere von Hessen-Kassel.«
»Lieutenant Jack Steel, aus Sir James Farquharsons Foot Guards.«
»Sagt, Lieutenant, Ihr benehmt Euch eigenartig. Ihr habt Eure Formation verlassen, um zu uns zu stoßen. Was habt Ihr vor?«
»Ich habe mich gefragt, Captain, ob Ihr uns behilflich sein könntet. Seht Ihr, jene Herren dort drüben haben uns die Fahne entrissen. Und ich habe die Absicht, sie mir zurückzuholen.«
Der Hesse spähte durch den Rauch hinüber zur französischen Kavallerie, die immer noch damit beschäftigt war, einzelnen versprengten Infanteristen hinterherzujagen. Die letzten Überlebenden aus Rowes Brigade wurden gnadenlos niedergemetzelt.
»Die haben Eure Fahne? Natürlich müsst Ihr sie Euch zurückerobern, und natürlich helfen wir Euch, Lieutenant.« Mit diesen Worten wandte er sich an seine Kompanie und gab Befehle. Sofort traten die Deutschen einen Schritt vor und öffneten damit die Reihen der Formation.
»Und nun, Lieutenant, wenn Ihr Euch uns anschließen möchtet. Ich nehme Euch und Eure Männer gern in meine Reihen auf.«
Vorsichtig und abwartend reihten die Grenadiere sich in die hessische Kompanie ein, ermuntert durch Slaughter und Steel. Steel und sein Sergeant schlossen sich dem deutschen Hauptmann an der Spitze an. Von links kam Tom Williams gelaufen und gesellte sich mit einem Grinsen zu den Kameraden. Irgendwo musste er seinen Hut verloren haben. Er salutierte zuerst vor Steel, dann vor dem Hauptmann und positionierte sich linkerhand der Offiziere. Rodt hob den Degen über den Kopf und richtete ihn dann mit ausgestrecktem Arm nach vorn.
Er rief einen weiteren Befehl und schulterte den Degen, worauf die Kompanie sich in Richtung der Franzosen in Bewegung setzte. Slaughter drehte Steel halb den Kopf zu. »Wisst Ihr, Sir, ein Teil von mir sagt mir, dass dies purer Irrsinn ist. Infanterie, die Kavallerie angreift. Und dann auch noch die Elite der
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