Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Enger
Vom Netzwerk:
Berühmtheit erlangt, aber am liebsten auf Control+Alt+Delete drücken würde, um ihr Leben noch einmal von vorn zu beginnen. Sie mag die Person nicht, die sie geworden ist. Irgendwann stellt sie fest, dass das mithilfe einer ganz speziellen Tastatur tatsächlich möglich ist, und sie bekommt die Chance, ihr Leben noch einmal zu leben. Und da ist natürlich die große Frage, ob sie diesmal die richtigen Entscheidungen trifft oder wieder in die gleichen Fallen tappt.«
    »Aha.«
    »Es ist zwar noch einiges daran zu tun, das kann man sagen, aber die Story an sich hat Potenzial.«
    Henning nickt.
    »Und der Tipp für dieses Drehbuch kam also von Yngve Foldvik?«
    Wieder ist es eine Weile still.
    »Ja.«
    »Ist das üblich so?«
    »Was?«
    »Dass Studienbetreuer ehemalige Kollegen auf Drehbücher von ihren Studenten aufmerksam machen?«
    »Das kann ich nicht sagen, aber wieso nicht? Ich sehe nichts Verwerfliches darin. Wenn Sie vorhaben, irgendeinen Mist darüber zu schreiben, können Sie …«
    »Nein, nein, ich will keinen Mist darüber schreiben. Ich bin nur neugierig. Wenn ich es richtig verstanden habe, war Ihr Kollege Henning Enoksen nicht an dem Entscheidungsprozess beteiligt, der schließlich zum Kauf der Option führte. Wieso nicht?«
    »Weil wir uns auf die Urteilskraft des anderen verlassen. Sind Sie sich im Klaren darüber, wie viele Angebote wir bekommen, Juul? Jeden Tag. Wie viele Sitzungen wir haben, was für Papierkriege wir ausfechten müssen, um die Filme drehen zu können, die uns wichtig sind, wie hart …«
    »Ich kann es mir vorstellen«, fällt Henning ihm ins Wort. »Was für einen Eindruck hatten Sie von Henriette Hagerup?«
    Leirvåg holt hörbar Luft.
    »Sie war eine unglaublich attraktive Frau. Das ist … es ist komplett unwirklich, was da geschehen ist. Sie war so unwahrscheinlich lebendig. So … so offen, lebenshungrig und so zuversichtlich. Überhaupt nicht arrogant oder aufgeblasen.«
    »Ich gehe mal davon aus, dass Sie sich mit Foldvik und Hagerup getroffen haben, nachdem er Ihnen den Tipp gegeben hat?«
    »Ja, selbstverständlich.«
    »Wie war die Chemie zwischen den beiden?«
    »Wie meinen Sie das? Chemie?«
    »Na, die Chemie. Wie waren die Blicke, die sie getauscht haben? Gab es Vibrations zwischen den beiden, die Ihnen besonders aufgefallen sind?«
    Es wird wieder still. Lange.
    »Wenn Sie meinen, was ich glaube, dass Sie meinen, können Sie mich mal kreuzweise«, sagt er mit aufbrausender Stimme. »Yngve ist ein Ehrenmann. Einer der ganz, ganz Großen. Er wollte einer seiner Studentinnen helfen. Ist das neuerdings verboten?«
    »Nein.«
    »Kommt es vor, dass Sie etwas, das Ihnen gefällt, in einem Schaufenster betrachten, Juul?«
    »Ja.«
    »Heißt das, dass Sie jedes Mal in den Laden gehen und es sich auch kaufen?«
    »Nein.«
    »Eben.«
    Henning lässt sich von der Gereiztheit in Leirvågs Stimme nicht aus der Fassung bringen.
    »Was passiert jetzt mit dem Drehbuch?«
    Leirvåg seufzt.
    »Das … das wissen wir noch nicht.«
    »Aber Sie haben weiterhin die Option darauf, nicht wahr, auch wenn die Autorin des Drehbuchs tot ist?«
    »Ja. Ich fände es schändlich, wenn wir das, was sie begonnen hat, nicht zu Ende bringen würden. Ich denke, sie hätte sich gewünscht, dass aus dem Film etwas wird.«
    Sicher ein gutes Argument für die Vermarktung, denkt Henning.
    »Was sagt Yngve dazu?«
    »Yngve? Er stimmt uns zu.«
    »Sie haben also schon darüber geredet?«
    »Nein, ich, ähm, wir …«
    Henning grinst inwendig und denkt, dass es vermutlich das war, was Enoksen auf der Zunge lag, als sie miteinander gesprochen haben. Dass Leirvåg bereits Pläne schmiedet, wie es ohne Henriette mit dem Film weitergeht – zusammen mit Yngve.
    »Danke für das Gespräch, Truls. Mehr wollte ich nicht wissen.«
    »Sie haben doch nicht vor, was darüber zu schreiben, oder?«
    »Worüber?«
    »Über Yngve und den Film und so?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Okay. Aber falls Sie das tun, will ich es zuerst lesen. Sie wissen schon, Zitatecheck und so.«
    »Ich glaube nicht, dass ich Sie in irgendeiner Form zitieren werde, aber sollte das der Fall sein, werde ich Sie auf alle Fälle vor der Veröffentlichung informieren.«
    »Gut.«
    Leirvåg gibt ihm seine Mailadresse durch, und Henning tut so, als würde er sie notieren. In Wirklichkeit steht er vor dem Klavier und drückt in Gedanken ein paar Tasten herunter.
    Leirvåg beendet das Gespräch, ohne sich zu verabschieden.

52
    Seine Beine tun weh.

Weitere Kostenlose Bücher