Sternenfaust - 193 - Der stählerne Stern
mit den jungen Pferden«, unterbrach Dana schmunzelnd. Mit Wohlgefallen sah sie, dass sich Missie von einer bloßen Putz- und Küchenhilfe, wie sie es auf der STERNENFAUST II gewesen war, zu einer Person weiterentwickelt hatte, welche die Dinge selbst in Angriff nehmen und gestalten wollte. Dennoch galt es, in jedem Fall abzuwägen, wie die Zeit- und Material-Ressourcen am effektivsten zu nutzen waren.
»Ich nehme Ihren Vorschlag zur Kenntnis und werde zu gegebener Zeit darauf zurückkommen. Nun konzentrieren wir uns erst einmal darauf, den blauen Mond aus dem Orbit zu untersuchen. Falls keine Gefahren erkennbar sind und der Trabant über Vegetation verfügt, werden wir uns auf ihm mit Lebensmitteln versorgen.«
»Sehr schön«, entgegnete Missie und lächelte.
»Ich begrüße Ihren Enthusiasmus und möchte Sie persönlich mit der Erkundungsmission beauftragen. Sofern unsere Scanner ein unbewohntes Gebiet finden, von dem keine Gefahr ausgeht.«
»Ich könnte bei den Scans behilflich sein. Ich habe mich in den vergangenen Monaten sehr eingehend mit Lebensmitteltechnik und -chemie befasst …«
»Das ist mir zu Ohren gekommen, Missie, und ist für mich ein Grund mehr, Sie persönlich mit der Expedition zu betrauen. Ich werde ein Team zusammenstellen, das mit einem Shuttle auf dem Mond landen wird.«
»Ich danke Ihnen, Ma’am. Da ist allerdings …«
»Noch ein Anliegen, Missie?«
Die rundliche Frau wandte sich ein wenig.
»Es geht um …«, begann sie zögerlich. »Nun, es wird viel geredet an Bord, Ma’am.«
Dana legte auffordernd den Kopf schräg.
»Ich kann mir diese Dinge nur schwer vorstellen, aber … ich stamme Ihrer Meinung nach aus der sogenannten zweiten Zeitlinie, nicht wahr?«
»Damit sich niemand zurückgesetzt fühlt, habe ich mir angewöhnt, von der alternativen Zeitlinie zu sprechen.«
Missie nickte. »Aber im ursprünglichen Verlauf der Geschichte bin … Ich habe die anderen etwas sagen hören.«
»Wichtig ist, dass Sie hier sind, Missie.«
»Aber … Offenbar bin ich doch …«
»Wenn es Sie so sehr interessiert, hätten Sie doch jederzeit in den Datenbanken der STERNENFAUST nachsehen können«, sagte Dana.
»Ich habe etwas vom STERNENFAUST-Zwischenfall gelesen. Doch dann wollte ich es lieber gar nicht wissen.«
»Der sogenannte STERNENFAUST-II-Zwischenfall hat viele Opfer gekostet, Missie. Entscheidend für mich ist – und das sollte es auch für Sie sein –, dass Sie leben. Dass Sie hier vor mir als eine lebendige Frau sitzen, deren Enthusiasmus und deren Einsatzfreude uns allen ein Beispiel sein kann.«
Missie lächelte. »Natürlich, Ma’am«, sagte sie untypisch kläglich.
Dana überlegte, ob sie noch etwas erwidern sollte, fand jedoch nicht die richtigen Worte.
*
Der Anblick, den das Backbord-Teleskop der STERNENFAUST auf das Zentraldisplay lieferte, war überwältigend. Und dies aus mehr als einem Grund. Die weiten Wolkenwirbel und -bänke, der tiefblaue Ozean und die grünbraunen Landmassen waren für sich genommen schon ein erhebender Anblick. Doch für Dana – und wohl auch jeden anderen auf der Brücke – kam hinzu, dass dieser geologisch aktive Mond frappant an die Erde erinnerte.
»Mit über fünfzig Prozent hat der Eisenkern des Mondes den größten Anteil an der Gesamtmasse«, unterbrach Commander Austen die Stille. »Die mittlere Dichte liegt bei circa 7,2 Gramm pro Kubikzentimeter. Ich kann zahlreiche Hitzequellen anmessen, die von natürlichen Waldbränden herrühren – kein Wunder bei einem Sauerstoffanteil von 28,54 Prozent an der Atmosphäre. Typische Emissionen und Strahlungswerte, die auf eine technisierte Zivilisation hinweisen würden, sind nicht vorhanden. Dafür konnte ich bereits einige Städte optisch lokalisieren. Der zivilisatorische Status der hier heimischen Bevölkerung dürfte dem irdischen Mittelalter entsprechen.«
»Danke, Commander.« Dana nickte knapp. »Können Sie uns eine dieser Städte heranholen?«
»Natürlich. Ich richte das Bugteleskop auf die größte von mir erfasste Ansiedlung aus. Sie ist augenblicklich wolkenfrei.«
Zwei Sekunden später wechselte die Darstellung auf dem großen Brückendisplay. Austen hatte den Zoomfaktor so eingestellt, dass die gesamte Stadt und Teile ihrer Umgebung erfasst wurden. Auffällig und ungewöhnlich war, dass große Teile des Bildes wie grünlich eingefärbt wirkten.
»Die hochkonzentrierte Atmosphäre könnte man beinahe als gasförmigen Ozean bezeichnen«, erklärte Austen.
Weitere Kostenlose Bücher