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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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gesagt haben: ausprobieren, Grenzen durchstoßen, mundfaul sind die ja nicht. Zuerst fesselt er deine Handgelenke, dann bindet er die Füße zusammen. Immer diese Reihenfolge, damit du dich nicht wehren kannst. Vielleicht legt er Eiswürfel auf deinen Körper, denn das kennt er vom Kino, da will er sehen, was passiert. Erst kalt, dann heiß. Brennende Kippen also, die er auf deiner kalten Haut ausdrückt, und war da nicht was mit der Atemluft? Es soll doch Frauen geben, die kriegen einen Kick beim Röcheln, das will er sehen und drückt dir die Kehle zu. Was hat er noch, ein Fleischermesser, Peitschen, Ketten? Seine Angriffe kommen unvermittelt, und alles ist bloß Spaß. Er braucht das nicht, das sollst du gar nicht von ihm denken. Es interessiert ihn nur.
    Sabine Kleins Stimme durchdrang den Nebel in ihrem Kopf. »Den kleinen Robin hätte ich ihr wegnehmen können«, sagte sie gerade, »Gott, war der niedlich. Dorian war ziemlich keß, aber sie hat ihm ja alles durchgehen lassen. Sie konnte ihm nie böse sein.«
    »Warum«, fragte Ina, »ist sie nicht zur Polizei gegangen wegen Kemper?«
    »Na ja.« Sabine Klein betrachtete ihre Fingernägel. »Sie wollte mit denen nichts zu tun haben. Ich konnte das auch nicht verstehen, denn sie hatte die Flecken. Sie hatte sie überall. Sie wollte nicht, daß die Kinder was mitkriegen.«
    Wieder ein Bild. Ina versuchte es wegzublinzeln, doch es blieb und war so klar wie vorhin. Katja legt einen Arm über die Augen, um Kemper nicht zu sehen. Sie dreht den Kopf weg, hör auf. Weck die Kinder nicht. Laß sie in Ruhe.
    Und dann gucken wir uns dieses Video an, die Frau im Abendkleid. Gib mir Zeit. Ich muß mir das zusammenreimen.
    »Es war eine Nacht- und Nebelaktion.« Sabine Kleins Stimme kam ihr schrill vor wie ein randalierendes Telefon in der Nacht. »Als er nicht da war, haben wir Katja und die Kinder ins Hotel gebracht, mein Mann und ich. Bloß weg von Kemper. Darum hat sie ihn auch nie anzeigen wollen, weil sie meinte, die Polizei macht ja doch nichts, und dann weiß er, wo sie ist. Na ja, und im Hotel konnte ich dann jeden Tag sehen, was mit ihr los war. Die Pillen, sie hat sie gefressen, Valium massenweise. Sie hat früher schon Tabletten genommen, Sachen zum Wachbleiben und ein bißchen Koks, aber niemals Beruhigungspillen, denn sie wollte ja nicht ruhig sein.« Sie lächelte ein wenig. »Am oberen Level wollte sie sein, so hat sie es ausgedrückt, ganz oben, am Rand, auf der Klippe. Aber zu dieser Zeit fraß sie Tranquilizer wie Bonbons, und es war kein schöner Anblick, wie sie durch die Gegend schlich. Es war nicht mehr Katja, man konnte kaum noch mit ihr reden. Auch die anderen haben das gemerkt, ich meine, die ganze Clique. Sie haben sich zurückgezogen, weil man nicht mehr mit ihr – also, sie war ja so anders.«
    »Ja«, sagte Ina. Katja hat euch nicht mehr den Kasper gemacht, war es das? Hat nichts mehr springen lassen, nein? Hat aufgehört zu tanzen.
    »Auch auf der Bühne war sie anders, stiller.« Sabine Klein sah sie jetzt wie eine Lehrerin an, die vor der Klasse einen Aufsatz auseinandernimmt. »Sie hat noch ein paar Auftritte versucht, aber die sind gnadenlos schiefgegangen. Das Publikum wollte diese wilde Katja, die oben mit ihnen lachte und sie antörnte und so. Jetzt saß sie am Klavier und sang Liebeslieder, richtige Balladen, und das wollte keiner.« Sie sah zum Fenster hinaus und hob einen Arm, als könnte sie Katja draußen sehen und winkte sie herein. »Dann kam die Klinik, weil es mit den Pillen immer schlimmer wurde. Sie wollte clean werden, um sich wieder besser um die Jungs zu kümmern. Nur, die konnten ja nicht mit, also hat sie sie zu diesen Leuten gebracht, wie hießen die gleich?«
    »Tillmann«, sagte Ina.
    »Richtig, Sie wissen ja schon alles.« Sie fuhr mit einem Finger die Fensterscheibe entlang. »Ich hab diese Tillmanns kaum gekannt, sind aber wohl ganz nette Leute, sonst hätte Katja die Kinder nie da abgegeben. Darum verstehe ich ja auch nicht, was dann passiert ist, sie hat die Jungs einfach nicht mehr abgeholt. Wenn Sie gesehen hätten, wie sie mit den Kleinen umgegangen ist, dann« – ihre Stimme zitterte jetzt – »dann würden Sie das auch nicht verstehen. Die Tillmanns haben damals überall herumtelefoniert, die waren verzweifelt und haben Katja gesucht, aber sie blieb weg. Sie kam nicht zurück. Ich hab sie nie wiedergesehen.«
    »Haben Sie sie mal in der Klinik besucht?«
    »Ehm, ich wollte, aber da war sie schon weg. Sie

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