Strangers on a Train - Reise der Leidenschaft
dort eingenistet hatte, hatte er sich daran erinnert. Dieser Schmerz hatte ihn die letzten sechs Monate begleitet, und es war erst in den letzten paar Tagen abgeebbt. Erst als er mit Amy im Zug gefahren war, ihren schlanken Körper als solide Wärmequelle neben sich, war es ganz verschwunden. Selbst wenn sie sauer auf ihn war, war sie bei ihm gewesen. Ganz nah.
Gott, er vermisste sie! So wütend er auch auf ihre illusorischen Erwartungen und Forderungen war, er vermisste sie.
»Was ist denn passiert?« Jeff konnte die Unnachgiebigkeit in Porters Stimme hören. Er würde nicht lockerlassen, bis Jeff ihm antwortete. Das war das Blöde an besten Freunden. Sie wussten alles.
Er stand auf. »Sie hat mich rausgeschmissen.«
Porter sagte nichts. Jeff überprüfte den Ladestand seines Telefons. Das Schweigen dauerte so lange, dass Jeff schon dachte, Porter würde es vielleicht dabei belassen und ihm, Jeff, die mörderischen Details ersparen. Aber dann fragte sein Freund mit leicht anklagender Stimme: »Was hat sich denn geändert?«
Scheiß drauf! Besser erzählte er Porter gleich die ganze Geschichte, als sich die Einzelheiten später im Kreuzverhör aus der Nase ziehen zu lassen. »Ich hab ihr gesagt, dass ich zurück nach Seattle muss, um mich um den Global-Four-Kram zu kümmern, und da ist sie ausgeflippt.«
Jeff beobachtete einen Mann, der etwa zehn Jahre älter war als er, wie er mit einem schwarzen Bordkoffer den Gatebereich betrat und begann, dasselbe Technikarsenal auszupacken wie Jeff vor zwanzig Minuten. Handy. Laptop. Und was war das? Ein Kindle, vermutete Jeff.
»Moment mal«, sagte Porter. »Du bist auf dem Weg hierher, um dich um Global Four zu kümmern?«
»Ja. Rob hat gesagt …«
»Rob sagt viel, wenn der Tag lang ist, das weißt du doch.«
»Ja, aber …«
»Aber was, Jeff?« Porter klang angefressen.
»Ich wusste, dass Sasha und du in Madison seid, und irgendjemand …«
Diesmal war die Stille noch abgrundtiefer und dauerte noch länger. Jeff war sich nicht sicher, ob Porter nicht längst schon aufgelegt hatte.
»… irgendjemand muss doch einspringen«, beendete er den Satz. Seine Stimme hallte im fast leeren Wartebereich wider.
Im Hintergrund hörte er Sashas Stimme. »Wer ist denn das, Porter?«
»Jeff«, antwortete sein Freund, und Jeff konnte die zwei deutlich vor sich sehen – wahrscheinlich beide im Pyjama, zusammengekuschelt in einem Hotelzimmer in Madison, in einer Welt, die sie sich geschaffen hatten. Eine Welt, wo alles, was Rob Akres für so dringend hielt, so bedeutungslos war wie ein Floh auf einem Büffelrücken.
Und Jeff wurde bewusst, dass Porter gar nicht gefragt hatte, was Rob Akres wieder von sich gegeben hatte. Was mit Global Four los war. Vor zehn Jahren, fünf – ach was, vor einem Jahr wäre das die erste Frage aus Porters Mund gewesen.
Ach du je, was ist denn los?
Und dann hätten sie die ganze Nacht palavert, wenn es sein musste, und sich den Kopf über Lösungen des jeweiligen Problems zerbrochen.
Wann hatte Porter das hinter sich gelassen? Wann hatte er aufgehört, sich für jede Einzelheit von Streamlines Fortschritt zu interessieren?
Früher waren ihre harte Arbeit, die Früchte ihrer späten Zwanziger und frühen Dreißiger, ihre durchgearbeiteten Nächte wirklich einmal das Einzige gewesen, was zwischen Streamline und dem Scheitern gestanden hatte. Ihre Arbeitskraft, ihr Herzblut waren entscheidend gewesen, um ihren Traum wahr zu machen.
Aber das war vor langer Zeit gewesen. Vor Sasha.
Vor Amy.
Es musste nicht mehr so sein. Porter war der lebende Beweis dafür. Porter und Sasha. Irgendwann hatte Porter die alte Zeit hinter sich gelassen, ohne dass Jeff es mitbekommen hatte. Die Firma war ihm nach wie vor nicht egal, er hatte nur beschlossen, dass sie nicht mehr seiner ungeteilten Aufmerksamkeit bedurfte.
Porter hatte verstanden, dass die Firma auch ohne seine unablässige und ständige Wachsamkeit weiterexistierte.
»Und wie läuft es?«, fragte Sasha im Hintergrund, und Jeff stellte sich vor, wie Porter die Augen verdrehte und ihr signalisierte, sich zu gedulden oder eine Sekunde still zu sein, damit er das Gespräch mit Jeff zu Ende bringen konnte. Mit Jeff, dem Loser, der es nicht fertigbrachte, die Frau, die er liebte, davon zu überzeugen, wieder zu ihm zurückzukommen.
Weil er das Durchhaltevermögen eines gottverdammten Streifenhörnchens hatte.
Mit sinkendem Mut, der ihm schwer wie Blei in die Magengrube plumpste, fiel Jeff ein, dass er
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