Sturm: Roman (German Edition)
Trotzdem müsste sie aussteigen und erste Hilfe leisten. Aber sie saß wie versteinert hinter dem Steuer, nicht fähig, Herr der Lage zu werden. Da klopfte es energisch am Seitenfenster. „Miss? Alles in Ordnung, Miss?“
Langsam drehte sie den Kopf und nickte mechanisch.
„Nicht erschrecken! Ich öffne jetzt die Tür. Ich werde Ihnen nichts tun, einverstanden?“
Wenig später stand sie am Straßenrand, lehnte sich gegen den fremden Mann und blickte starr auf ihr Auto.
„Ich habe schon die Polizei verständigt und einen Krankenwagen gerufen. Sie werden gleich da sein.“ Es war eine männliche, sehr ruhige und angenehme Stimme. „Wie ist Ihr Name, Miss?“, fragte er.
„Medina. Medina Thompson“, antwortete sie kraftlos, bevor es um sie herum dunkel wurde.
Kapitel 2
Kopfschmerzen haben schon manche Menschen um den Verstand gebracht. Erst recht, wenn man gerade wach wird und die Stiche wellenförmig hinter dem Augapfel beginnen und sich bis zum Hinterkopf vorarbeiten.
Medina stöhnte gequält und rollte sich zur Seite, weil sie gewohnheitsgemäß eine Flasche Wasser neben dem Bett suchte. Aber ihre Hände griffen ins Leere und langsam kapierte sie, dass dies nicht ihr Zuhause war. Verschreckt rollte sie sich wieder auf den Rücken und blickte sich im Zimmer um. Der kargen Einrichtung und dem merkwürdig hohen Bett nach zu urteilen, befand sie sich in einem Krankenzimmer. Sogleich kam die Erinnerung wieder.
Ihr brummte der Kopf, al sie sich aufsetzte und in ihrem Mund sammelte sich Speichel. Entmutigt sank Medina wieder auf die weiche Matratze zurück.
„Shit!“, fluchte sie murmelnd. Wie spät ist es überhaupt? Ein Blick aus dem Fenster reichte. Es war dunkel, also entweder Abend oder Nacht. Als sie den Kopf in die andere Richtung drehte, entdeckte sie die Tür und war um eine Schmerzattacke reicher.
„Verfluchte Scheiße!“, schimpfte sie weiter und presste die Finger auf ihre Schläfen. Plötzlich wurde die Tür geöffnet, durch die eine kleine Person hereinhuschte. Sie kam zu Medinas Bett, lächelte und deckte sie wieder zu.
„Miss Thompson. Sie müssen sich ausruhen. Haben Sie Schmerzen?“ Medina antwortete mit einem leisen „Ja“.
„Ich werde Ihnen gleich etwas holen, okay?“ Während die Schwester das sagte, fühlte sie Medinas Puls und schaute dabei auf ihre Armbanduhr. Mit einem Nicken kramte sie in ihrem Kittel nach einer Taschenlampe und leuchtete in Medinas Augen. Wieder ein Nicken. Zuletzt steckte sie ihr den Fiebermesser ins Ohr, nahm das Klemmbrett vom Fußende des Bettes und trug die Werte ein. Als sie sich umdrehte, ergriff Medina ihren Arm.
„Warten Sie“, flüsterte sie. „Was …, was ist mit dem anderen Opfer? Geht es ihm gut?“ Ihre Augen schimmerten feucht, während sie die Frage stellte. Die Schwester drehte sich zu ihr um und blickte sie verständnislos an.
„Wen meinen Sie?“
Medinas Gedanken schlugen Purzelbäume. Sie will mich schonen, dachte sie panisch. All ihren Mut zusammennehmend, sagte sie: „Den ich angefahren habe.“ Ihr Herz schlug hart.
„Ich weiß nicht, von wem Sie sprechen. Sie haben niemanden angefahren. Der junge Mann, der die ganze Zeit draußen sitzt, hat Sie hierhergebracht. Ich dachte, Sie brauchen noch Ruhe, deshalb habe ich ihn noch nicht zu Ihnen gelassen …“ Weiter kam sie nicht, da Medina sie unsanft unterbrach.
„Was soll das heißen? Da muss jemand gewesen sein! Ich habe etwas gesehen und meine Windschutzscheibe ist ja wohl nicht einfach so zerbrochen, oder? Verfluchte Scheiße, Sie können mir jetzt sagen, was passiert ist. Ich erfahre es sowieso, wenn die Cops nach dem Unfall fragen.“
Die junge Schwester zog erstaunt die Augenbraue hoch, wohl aufgrund der Wortwahl, schüttelte nur sanft den Kopf und verließ das Zimmer.
„Was soll das denn jetzt? Kriegt man das so beigebracht auf eurer dämlichen Schwesternschule?“ Dann verstummte sie, weil der Mann, der sie aus dem Auto geholt hatte, eintrat.
„Alles in Ordnung mit Ihnen, Miss Thompson? Darf ich näher kommen?“, fragte er und runzelte besorgt die Stirn. Seine Stimme klang genauso sanft wie sie sie in Erinnerung hatte.
„Von mir aus“, seufzte Medina und musterte ihn verstohlen. Was ist das denn für ’n Versager , dachte sie. Sein Haar war glatt gekämmt, ohne Sinn für einen modischen Schnitt. Es war dunkel und schimmerte leicht, seine Augen waren langweilig braun, die Gesichtszüge weich, ohne jegliche Ecken und Kanten. Überhaupt war er total
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