Sturmwelten 01
Damen nicht allein hinaus.«
»Ich gehöre aber nicht zu diesen Kreisen«, widersprach sie.
»Ebenso wenig wie ich, Meséra. Dennoch: Wer mit den Wölfen läuft, sollte auch mit ihnen heulen. Sagt man nicht so?«
Kopfschüttelnd hakte sie sich bei ihm ein. Noch immer nahm die Kreatur auf seiner Schulter den Blick nicht von ihr. Vorsichtig sah die junge Offizierin das Tier genauer an. Bis auf die Bewegung des Kopfes, um sie im Blick zu behalten, schien das Wesen so bewegungslos wie eine Statue zu sein.
»Sie haben da ein seltsames Schmuckstück«, stellte Roxane amüsiert fest, als das Wesen keinerlei Anstalten machte, ungewöhnliche Dinge zu tun.
»Man hat mir versichert, an den Höfen Corbanes sei es der allerletzte Schrei. Aber ich gebe nicht sehr viel auf solches Gerede. Sinosh ist mir zugelaufen.«
»Sinosh? Wie die heraldische Farbe?«
Diesmal warf er ihr einen überraschten Blick zu. »Korrekt. Ihr seid in der Heraldik bewandert?«
»Nein, nicht wirklich. Ich muss den Ausdruck einmal irgendwo gehört haben. Es ist ein Goldton, nicht wahr?«
»Ja. Ein Gold, das nur in den Wappen der höchsten hiscadischen Kreise verwendet werden darf. Als es noch einen König gab, durfte nur er diese Ehre verleihen.«
»Es gibt noch einen König in Hiscadi«, entgegnete Roxane, was ihn erneut auflachen ließ.
»Einen Cousin von Sugérand, dem fünfzehnten seiner Linie, würde ich kaum als König von Hiscadi bezeichnen. Eher als Verwalter für seinen ruhmesdurstigen Verwandten.«
Gemeinsam gingen sie hinaus auf die Terrasse der Villa. Der Anblick war atemberaubend. Der Park war mit Palmen bewachsen, die in einer sachten Brise, die vom Meer herauftrieb, sanft rauschten. Auch hier spielten magische Lichter, ließen die Statuen in buntem Licht erstrahlen und färbten das Wasser des kleinen Teiches ein. Das Schauspiel war faszinierend, doch Roxane sehnte sich nach ein wenig Ruhe und führte ihren Begleiter auf den gepflegten Rasen. Vor dem unsteten Licht wirkte sein Profil düster. Seine hiscadische Herkunft war nicht zu leugnen; die dunklere Haut, das schwarze Haar, die Augen mit dem eindringlichen Blick. Hohe Wangenknochen und volle Lippen, die nun wieder leicht versonnen lächelten. Er ist ein gut aussehender Bastard, dachte sie. Und ich würde meine komplette Heuer darauf verwetten, dass er das ganz genau weiß.
»Sie haben mich belogen«, stellte sie gespielt vorwurfsvoll fest. »Im Hinblick auf Ihren Status und Ihre Herkunft. Vermutlich heißen Sie nicht einmal Jaquento!«
»Ich, Meséra? Ihr tut mir Unrecht. Mein Name ist in der Tat Jaquento, und es freut mich über alle Maßen, dass er Euch im Gedächtnis geblieben ist. Vielleicht habe ich meine Rolle auf der Windreiter ein wenig heruntergespielt. Nur ein Narr würde sich vor einer so klugen Frau unnötig brüsten, und ich würde niemals eine solch bezaubernde Frau anlügen!«
»Weniger bezaubernde Frauen aber schon?«, fragte sie mit gespieltem Zorn, denn eigentlich musste sie sich bei seinen Worten ein Lachen verkneifen. Obwohl er ein Hiscadi war und damit ein potenzieller Feind, fühlte sie sich an seiner Seite wohl. Sein Griff war angenehm fest, und sie genoss die Berührung seines Arms.
»Ihr dreht mir die Worte im Mund herum, Meséra«, protestierte er. »Es ist allgemein nicht meine Gewohnheit, zu lügen.«
»Damit stehen wir vor einem geradezu klassischen Problem, nicht wahr? Sind alle Hiscadi Lügner?«
Darauf schwieg er, und für einen Moment glaubte sie, dass sie zu weit gegangen war und ihn verärgert hatte. Doch dann grinste er frech.
»Es waren Carleten, die möglicherweise, oder auch nicht, alle Lügner waren, wie es der Philosoph Endemus von dieser hübschen kleinen Insel postuliert hat. Wir Hiscadi hingegen stehen unter keinem solchen Verdacht.«
»Oh, Sie sind ein gebildeter Mann? Vor genau solchen hat mich mein Vater stets gewarnt. Männer fallen durch das, was sie sehen, Frauen jedoch durch das, was sie hören , hat er stets gesagt.«
»Ihr erscheint mir nicht wie eine Frau, die sich vor irgendetwas fürchten müsste, Meséra. Diese Uniform und der Säbel an Eurer Seite sprechen eine deutliche Sprache. Man versicherte mir, dass die Königlich-Thaynrische Marine sich recht gut zu schützen weiß.«
»Wohl wahr. Auch wenn einen niemand auf gesellschaftliche Anlässe wie diesen vorbereitet«, erwiderte Roxane schmunzelnd.
»Ein Provinzfest, dessen Regeln und Gebote von geradezu lächerlich geringer Zahl sind? Kleidungsregeln, die sich
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