Sturmwelten 01
interessiert das, Guaili? Du machst nur Ärger! Wir haben schon vor deiner Ankunft unsere Probleme auf unsere Art gelöst. Wir brauchen deine Zustimmung nicht! Nicht wahr?«
Er schaute sich auffordernd in der Runde um, als wolle er Beifall heischen. Einige schlugen die Augen nieder, ein Krieger indes, der ebenso muskulös war wie Bara, blickte nicht fort. Er sah krank aus mit seinem grauen Gesicht, doch Sinao konnte die Stärke in seinen Augen erkennen.
»Der Junge hat recht, Bara. Wir können das nicht tun. Wir können nicht andere bestimmen, die ihr Leben für unseres geben müssen.«
Ein Hustenanfall schüttelte ihn, doch er wischte sich den Speichel von den Lippen und ließ seinen Blick kreisen.
»Wir geben Tangye nicht, was er will.«
Zustimmendes Murmeln ertönte hier und da, und es widersprach keiner, und so erhob sich Sinao, deren Kopf sich ganz leicht anfühlte. Fünf pro Tag. Dann ist das Lager leer, bevor der Mond zweimal wieder voll am Himmel stand. Keiner guckte sie an, nicht einmal Majagua, der den Kopf erhoben hatte und in die Ferne schaute. Die Schwere der Entscheidung legte sich ihnen allen drückend auf den Geist; sie hing in der Luft und nahm ihnen die Luft zum Sprechen. Schweigend folgten sie Sinao hinaus auf den schattigen Platz, wo noch immer das Essen ausgeteilt wurde.
ROXANE
War der kühle Stil des Marinehauptquartiers bereits beeindruckend gewesen, erschlug die festlich geschmückte Villa des Gouverneurs Roxane geradezu mit ihren Lichtern, Blumengestecken, Statuen, livrierten Bediensteten, den Besucherinnen und Besuchern in erlesener Abendgarderobe und Uniformen, die alle zum Eingang strebten. In ihrer eigenen, nicht besonders teuren Ausgehuniform fühlte sich Roxane den abschätzigen Blicken sämtlicher Gäste ausgesetzt – sogar noch bevor sie gemeinsam mit den anderen Offizieren der Mantikor aus der Droschke stieg; nur Frewelling war als Wachhabender an Bord geblieben, ein Dienst, um den Roxane ihn beneidete. Sofort eilten Diener zu ihnen, um ihnen eine Hand zu reichen und ihnen Mäntel und Umhänge abzunehmen, was Harfell ein verächtliches Seufzen entlockte. Unsicher stakste Roxane hinter dem Kapitän her.
Bunte, tanzende Lichter verzierten die Fassade des Hauses; offenbar hatte der Gouverneur keine Kosten und Mühen – vor allem nicht die Mühen anderer – gescheut und hatte Maestre angeheuert, um diese spektakulären Effekte zu erzeugen. Zwar brannten auch einige ganz gewöhnliche Fackeln im Hof und auf dem Weg, der durch den Park zum Haupthaus führte, doch die ihre Farben ständig wechselnden Lichter am Haus selbst waren eindeutig Erzeugnisse des Arsanums.
Wie von unsichtbaren Fäden gezogen, folgte die junge Offizierin ihrer kleinen Gruppe zum Eingang. Leise Musik ertönte aus dem Inneren des Gebäudes, übertönt vom Rauschen der zahlreichen Gespräche. Innerhalb kürzester Zeit wurde Roxane an einem Spalier wartender Würdenträger vorbeigelotst. Sie war froh, dass sie wenig mehr tun konnte, als sich zu verbeugen, zu salutieren und immer wieder »eine Ehre« und »eine Freude« zu murmeln. Gibt es irgendjemanden, der sich so schnell Namen und Gesichter merken kann? , dachte sie verzweifelt.
Endlich erreichten sie den Saal des Gebäudes, der schon bis zum Bersten mit Gästen gefüllt war. Auf einem kleinen Podium saßen drei Musiker mit Violine, Cello und Laute und spielten dezent ein ruhiges Stück, während sich die Menge nach einem für Roxane undurchschaubaren Muster bewegte. Es hatten sich bereits jetzt Grüppchen gebildet, deren Zusammensetzung einer in diesen Belangen erfahrenen Person sicherlich interessante Aufschlüsse geboten hätte, aber die junge Offizierin sah nur elegante Roben, Uniformen, schwarze Anzüge und die goldenen Livreen der Dienerschaft.
»Ich hoffe, dass es ein Souper geben wird«, flüsterte Hugham lächelnd. »So gut werden wir monatelang nicht mehr essen. Es sei denn …«
Sie ließ ihre Worte verklingen, bis Roxane sie fragend ansah: »Was?«
»Es sei denn, in einem unserer Butterfässchen hat sich eine Maus versteckt!«, schloss die Offizierin, während Roxane sie wütend anfunkelte.
»Wagen Sie es nicht, diese Geschichte heute Abend aufs Tapet zu bringen, Thay«, zischte sie, aber da ertönte schon ein heller Gong, und eine große Flügeltür wurde geöffnet. Dahinter lag ein langer Saal, in dem an zwei parallelen Tischreihen alles für ein reichhaltiges Mahl gedeckt war. Kerzen erhellten die Tische, ihr Glanz spiegelte sich im
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