Succubus on Top
an mir. Ich bekomme sie nicht aus dem Kopf. Wir haben zusammen in einem Bett geschlafen. Nur geschlafen, weißt du. Bislang war das weiter kein Problem gewesen, aber manchmal liege ich wach, betrachte ihn und denke, dass das nicht ewig so weitergehen kann. Je länger es währt… ich fühle mich wie… wie auf einem Drahtseil, mit Seth am einen Ende und ich am anderen. Wir versuchen, einander zu erreichen, aber ein Fehltritt, ein Windstoß, ein Seitenblick, und ich kippe. Und falle und falle immer tiefer.»
Als ich fertig war, holte ich zittrig Luft.
Carter beugte sich vor und streifte mir das Haar aus dem Gesicht. «Dann schau nicht nach unten», flüsterte er.
Bastien war zurückgekehrt und hatte den Schluss meines Monologs mitbekommen.
«Wer ist Seth?», erkundigte er sich, sobald wir in meiner Wohnung angekommen waren.
«Eine lange Geschichte.» Dennoch ertappte ich mich dabei, dass sie aus mir heraussprudelte.
Natürlich musste ich Bastien, wenn ich ihm schon von Seth erzählte, zugleich über viele andere Dinge berichten. Wie über eine Begegnung mit Jeromes halb-menschlichem, halb-engelhaften Sohn vor kurzem – einem überwältigend schönen Mann mit einem obskuren Sinn für soziale Gerechtigkeit, der sich auf der mehr oder minder psychotischen Mission befunden hatte, andere Unsterbliche für die schäbige Behandlung seiner selbst und seiner Art bezahlen zu lassen. Die Tatsache, dass er ein guter Tänzer und phänomenaler Liebhaber gewesen war, hatte nicht ganz gereicht, um den unbarmherzigen Mord an geringeren Unsterblichen und den nachfolgenden Angriff auf Carter aufzuwiegen.
Was natürlich als Nächstes die Erklärung erforderlich machte, dass Seth Zeuge beim unausweichlichen Showdown gewesen und sehr geschwächt worden war, als ich ihn geküsst hatte, um mir einen Not-Schuss an Energie zu besorgen. Jerome hatte Seths Erinnerung an den ganzen Vorfall ausradieren wollen, ebenso die Liebe des Schriftstellers zu mir, aber ich hatte den Dämon angefleht, es nicht zu tun, und ihm schließlich sein Einverständnis abgerungen, indem ich ihm angeboten hatte, mich wieder mit ganzer Kraft der Verführung und dem Verderben anständiger Männer zu widmen, wie es sich für einen guten kleinen Sukkubus gehört. Horatios Besuch war der endgültige Beweis für mein ‹neues und besseres› Selbst gewesen.
Bastien hatte sich aufs Sofa gefläzt, hörte nachdenklich zu und runzelte am Schluss die Stirn. «Was meinst du damit? Warum hast du dir nicht bereits die Anständigen vorgenommen?»
«Ich bin’s leid gewesen. Wollte ihnen nicht mehr wehtun.»
«Also? Hast dich den Schlechten gewidmet?»
Ich nickte.
Er schüttelte den Kopf, da er ebenso gut wie ich wusste, wie wenig Lebensenergie ein unehrenhafter Sterblicher zur Verfügung stellte, im Vergleich zu einem guten. «Arme Fleur! Was muss das für ein erbärmliches Dasein gewesen sein.»
Ich schenkte ihm ein bittersüßes Lächeln. «Ich glaube, du bist die erste Person, die sich mehr mitfühlend als ungläubig zeigt. Die meisten Leute halten mich für eine Idiotin, weil ich mich so durchschlage.»
«Ist schon Scheiße, ja», stimmte Bastien zu, «und erfordert häufiger einen Schuss, ist aber kaum idiotisch. Meinst du, ich hätte nicht Tage mit eben solchen Anwandlungen? An denen ich einfach die Hände in den Schoß legen und die anständigen Frauen in Ruhe lassen möchte?»
«Warum tust du’s nicht?»
«Nicht unser Schicksal. Du und ich, wir sind aufgemotzte Prostituierte – Kurtisanen, wenn du es vornehmer ausdrücken möchtest, aber es ist eh alles das Gleiche. Wenn wir zu den Schlechten wechseln, wird sich unser Schicksal nicht ändern. Wird auf lange Sicht gesehen nicht mal insgesamt was ändern, wirklich, außer unser Schuldgefühl ein wenig lindern, und sogar diese Linderung wird nicht von Dauer sein.»
«Meine Güte! Du munterst mich aber wirklich auf.»
«Tut mir leid.»
«Nein, nein, schon in Ordnung. Was soll’s! Ich meine, es ist nett, jemanden zu haben, mit dem man darüber reden kann. Niemand sonst – keiner der anderen Unsterblichen – kann es wirklich verstehen.»
Er schnaubte. «Natürlich nicht. Wie auch?» Mein Schweigen war Bestätigung, und Bastien warf mir einen freundlichen Blick zu. «Nicht, dass deine Freunde nicht nett wären. Gibt es weitere Unsterbliche in der Stadt, mit denen du reden kannst? Irgendwelche Sukkuben oder Inkuben?»
«Ein paar weitere Vampire und geringere Dämonen, aber das war’s dann auch. Sie sind
Weitere Kostenlose Bücher