Sudelbücher: Ausgesucht feine Texte mit Biss (German Edition)
schlafen kann, ohne zu träumen. [F 743]
Unsere Dichter werden gewiss ebenso sehr gelobt als die Engländer, aber die Leute, die sie loben, sind von geringerem Gewicht. [F 745]
Es ist merkwürdig in dem Sehen ohne Licht, dass das, was man sieht, wenn man die Augen im Dunkeln zuschließt, Anfänge zu Träumen werden können, bei wachender Vernunft ist die Folge ganz anders als im Schlaf. Ich möchte wissen, ob die Tiere dummer träumen, als sie im Wachen sind, ist dieses, so haben sie einen Grad von Vernunft. [F 746]
Die Leute sagen immer, was der Mann originell schreibt, mir kommt der Stil nichts weniger als selten vor; es ist die Schreib-Art aller Leute, die mehr sagen wollen, als sie wissen, und welche eben deswegen der Menge gefällt, weil sie ihr glauben macht, sie verstünde Dinge, von denen sie kein Wort weiß. [F 748]
Eine Taxe auf die Engel oder eine Kopfsteuer im Himmel. (In einem Heldengedicht) [F 751]
Klopstocks Messias kann nur, dünkt mich, alsdann schwer scheinen, wenn man das darin finden will, was das Geschrei der Zeitungsschreiber und der Barden hineingelegt hat. Mir kommt es vor, als wenn das Gedicht nicht zu schwer, sondern zu leicht, oder deutlicher , nicht zu tief, sondern zu seicht wäre. [F 752]
Wir sehen, ein jeder, nicht bloß einen andern Regenbogen, sondern ein jeder einen andern Gegenstand und jeder einen andern Satz als der andere. [F 754]
Krankheit ist das größte Gebrechen des Menschen.[ F 756]
Man stellt sich Städte vor, die man nie gesehen hat.[ F 757]
Wenn Vernunft, die Tochter des Himmels, von Schönheit urteilen dürfte, so wäre Krankheit die einzige Hässlichkeit. [F 759]
Dass ich etwas, ehe ich es glaube, erst durch meine Vernunft laufen lasse, ist mir nicht ein Haar wunderbarer, als dass ich erst etwas im Vorhof meiner Kehle kaue, ehe ich es hinunterschlucke. Es ist sonderbar, so etwas zu sagen und für unsere Zeiten zu hell, aber ich fürchte, es ist für 200 Jahr, von hier ab gerechnet, zu dunkel. [F 762]
Alle die seichten großen Schriftsteller unserer Zeit.[ F 763]
Wo Affektation zur ernsthaften Natur zu werden anfängt. [F 768]
Ein Elendes: Morgenrot ist des Abends Tod. Das ist alles. [F 769]
Der Maler, der ein Gesicht mit wenigen Strichen in der Geschwindigkeit trifft, muss unstreitig in dem Gesicht mehr sehen als ich, ob er gleich, wenn er es mir erklären will, weil er nur Worte gebrauchen kann, die alle schon gestempelt sind, weiter nichts sagt als ich auch. [F 770]
Eine beißende Antwort, wenn Lavaters Freunde mir vorwerfen sollten, ich wäre ehmals für Physiognomik gewesen, wäre die, dass ich es nicht mehr wäre, seitdem ich Lavaters Buch gelesen. [F 771]
Es gibt Leute, die kein Blut, und manche, die keinen Degen sehen können, andre juckt es, wenn man von Läusen spricht. [F 773]
Es ist besonders, und ich habe es nie ohne lächeln bemerkt, dass Lavater mehr auf den Nasen unserer jetzigen Schriftsteller findet, als die vernünftige Welt in ihren Schriften. [F 776]
Dass man solch närrisches Zeug träumt, wundert mich nicht, allein dass man glaubt, man wäre es selbst, der so was täte und dächte, das wundert mich. [F 778]
Dass die Erde um die Sonne läuft und dass, wenn man eine Schreibfeder kippt, diese Spitze mir ins Auge fliegt, ist alles ein Gesetz. [F 781]
Solange jemand in die Ewigkeit hinausschaut und mir Dinge im Himmel liest, die ich nicht sehe, so schweige ich deswegen still, weil er mir auch glauben müsste, wenn ich ihm wiederum meine Weissagungen abläse. Allein wenn wir Blicke in diese Welt tun, da hat bei verschiedener Meinung nur einer recht oder beide unrecht. Wir haben alle auf die 4 Syllogismen geschworen, den Supremats-Eid der Logik abgelegt. [F 784]
Man kann nicht allein Dinge aus der Körper-Welt transzendent machen, sondern auch Dinge aus der Geister-Welt retroszendent auf die Körper-Welt zurück. [F 785]
Dass weiß ich, bei jedem Gesicht denkt man sich etwas. Wenn sich ein Bedienter darbietet, so wird das Gesicht [geprüft?], bei gesunder Farbe und Jugend werden die Leute verschiedentlich urteilen, wo mehrere Personen über ein Gesicht eins sind, werden es immer pathognomische Züge sein. [F 789]
Man lernt kein Latein und kein Griechisch mehr, daher wird alles seicht. Dieses ist die Klage der meisten gelehrten Journale, ob sie gleich vielleicht unvorsätzlich die geheimsten und wichtigsten Feinde wahrer Gelehrsamkeit und die Urheber des Übels selbst sind, das sie heilen wollen. Man hält
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