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Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel

Titel: Süden und der Mann im langen schwarzen Mantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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ich einen mir angemessenen Zustand der Bebiertheit erreicht hätte, der mich hernach am offenen Fenster im ersten Stock vor jeglicher Bewunderung der Landschaft bewahren würde .
    Auf der Hotelterrasse direkt unter meinem Fenster setzte ich mich an einen Tisch an der Hauswand, beschattet vom Astwerk einer Kastanie, schläfrig, seltsam missgelaunt, unhungrig und nicht einmal durstig. Als ich den Kopf hob, weil ich ein leises Geräusch gehört hatte, stand ein Mann vor mir, der genauso angezogen war wie ich, mit einem weißen Hemd und einer schwarzen Hose. Statt einer schwarzen Lederjacke wie ich trug er eine schwarze Weste. Sein Gesicht sah gerötet und aufgedunsen aus, und er schaute auf mich herunter. Er schaute. Ich schaute zurück. Eine Weile schauten wir uns an .
    Und dann stellte er mir die möglicherweise gemeinste Frage der Welt: »Kennst mich noch?«
    Und ich sagte ungeniert munter: »Nein.«
    »Ich bin der Johann«, sagte er. »Servus, Süden.«
    »Servus«, sagte ich .
    »Johann Gross«, sagte er .
    »Ja«, sagte ich.
    »Was machst du bei uns? Bist du wegen der Beerdigung vom Pfarrer hier? Hast du den noch gekannt?«
    »Wen?«, sagte ich. Dann zog ich die Lederjacke aus und hängte sie über die Lehne des Stuhls neben mir .
    »Den Pfarrer Wild«, sagte er. »Dass ich dich hier treff! So was! Magst was trinken, Süden? Oder ist dir lieber, wenn ich Tabor sag? Wir haben alle immer Süden zu dir gesagt . Aber jetzt bist du ja ein bekannter Kommissar, hab schon von dir in der Zeitung gelesen.«
    »Ich bin nicht bekannt«, sagte ich .
    »Wer in der Zeitung steht, ist bekannt!«
    »Wie gehts dir, Johann?«, sagte ich .
    Er stockte einen Moment. »So warst immer«, sagte er. »Du hast schon früher immer Johann zu mir gesagt und nicht Hansi, wie die andern. Das hab ich dir immer hoch angerechnet, weißt du das?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Einige haben dich Südi genannt, das hast du gehasst.«
    Ich sagte: »Ich habe einen Kollegen, der nennt mich immer noch so.«
    »Ein blöder Hund!«, sagte Johann. Aber es klang nicht komisch. Er grinste oder lächelte auch nicht. Auf seinem plumpen Gesicht spielte keine Musik, es war verstummt, es funktionierte nur noch nach den ledernen Gesetzen der Muskeln und den zornigen des Blutes. Ich erkannte ihn wieder, den Sohn des Architekten, den behüteten Jungen, der immer in frisch gewaschenen Hemden und Hosen auf den Spielplatz kam, immer fesch und adrett, immer zum Vorzeigen geeignet, immer ein anderer als der, der er wirklich sein wollte .
    »Gut gehts«, sagte er. »Ich bin hier angestellt.«
    Johann Gross war also Kellner geworden. Aber ich wusste, dass er sich als Kind nichts sehnlicher gewünscht hatte als eine Gitarre und Mitglied einer Band zu werden, vielleicht in der, in der auch ich zeitweise auf den Bongos spielte. Nichts machte ihm mehr Freude, als Platten von Rockbands zu hören und auf einem Stück Holz die Riffs nachzuahmen und mitzusingen, alles heimlich natürlich, denn seine Eltern verboten ihm sein Vergnügen. Und er fügte sich. Und ich habe nie verstanden, wieso .
    »Habt ihr eine Suppe?«, sagte ich .
    »Erbsensuppe mit Würstel«, sagte er. »Ist dir nicht zu heiß dafür?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Schön, dich wiederzusehen«, sagte er, und ich bildete mir ein, sein Mund wehrte sich gegen die Ausdruckslosigkeit in seinem Gesicht .
    »Welcher Pfarrer ist gestorben?«, sagte ich .
    »Unsrer«, sagte Johann. »Der Pfarrer Wild. Er hat sich doch aufgehängt, hast du das nicht gewusst?«
    »Woher denn?«
    »Aus der Zeitung.«
    »Ich wusste es nicht«, sagte ich. »Warum hat er sich aufgehängt?«
    »Alkohol«, sagte Johann und starrte mich an wie vorhin, als er auf die Terrasse gekommen war. »Er hat Depressionen gehabt.« Mit einer fahrigen Bewegung kratzte er sich am Ohr. »Außerdem hat er eine Freundin gehabt, angeblich die Feiningerin, es gibt Leut, die behaupten, er hat sich wegen ihr aufgehängt. Weil sie ihn verlassen wollt, was weiß ich. Ich weiß nicht, ob das stimmt mit der Feiningerin. Der Pfarrer Wild war fast siebzig. Morgen ist die Beerdigung. Ich hab gedacht, du bist deswegen da . Hast du ihn gekannt, Süden?«
    »Nein«, sagte ich.
    »Ich bloß flüchtig. Ich geh nie in die Kirche«, sagte Johann. »Ich glaub an nix, nur ans Sterben. Willst was trinken?«
    »Ein Bier«, sagte ich. »Trinkst du eins mit?«
    »Wie lang bist noch da?«
    »Bis morgen.«
    »Wollen wir heut Abend was trinken?«
    »Ja«, sagte ich.
    Er nickte und ging. Einmal, daran

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