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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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weil sie versuchte, eine so gräßliche Situation noch sensationeller zu machen. Hemmungsloses Luder, aber das wusste er ja schließlich längst. »Es besteht kein Grund, den Leuten Angst einzujagen, indem man die Verbrechen selbst oder ihren Ausgang in Zusammenhang mit diesem Vorfall stellt.«
    Paige zuckte nicht einmal mit der Wimper. Sie griff weiter an, aus vollem Rohr. »Hat dieser Fall eine spezielle Bedeutung für Sie, Chief Holt, wenn man Ihre persönlichen …«
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    Mitch wartete nicht auf das Ende der Frage. Für ihn war jetzt Schluß, er wandte sich abrupt ab, streifte ihre Hand von seinem Arm und marschierte auf die Eishalle los. Er war so aufgebracht, dass er das Gefühl hatte, jeden Moment zu explodieren. Hinter sich hörte er, wie Page sich elegant aus der Affäre zog und ihren Bericht mit ein paar rührenden Worten abschloß.
    »… als erste am Tatort, wo Großstadtgrauen im Herzen dieser stillen kleinen Stadt zugeschlagen hat. Paige Price, TV 7
    Nachrichten.«
    Jemand rief: »Und … Schnitt! Das war’s für den Augenblick, Leute.«
    Er hörte, wie die Techniker über die Kälte schimpften, dann das scharfe Klicken von Absätzen hinter ihm auf dem Gehsteig.
    »Mitch, warte!«
    Er rammte die Hände in seine Jackentaschen und ging weiter die Treppe hoch, ohne sie auch nur eines Blickes zu würdigen.
    Aber die Tatsache, dass er sie ignorierte, störte sie überhaupt nicht. Paige Price ließ nicht einmal grobe Winke mit dem Zaunpfahl gelten.
    »Mitch!«
    »Hübsch, wie Sie das zu Ende gebracht haben«, sagte er schroff. »Ein Hauch von Sensation, eine Prise Mitgefühl – lass die Zuschauer wissen, dass du der erste Geier vor Ort bist. Sehr professionell.«
    »Das ist mein Job.« Irgendwie schaffte sie es, gleichzeitig reumütig und stolz zu klingen.
    »Ja, davon kann ich ein Lied singen.«
    »Sie sind immer noch böse auf mich?«
    Mitch riss die Tür heftiger als nötig auf und trat in das schwach beleuchtete Foyer. Der leise Vorwurf in ihrer Stimme entfachte seine Wut aufs neue. Sie hatte wirklich Nerven, hier die beleidigte Leberwurst zu spielen. Er war es schließlich 114
    gewesen, der öffentlich mit den kalten metaphorischen
    Skalpellen von Paige Price’ messerscharfem Verstand und ihrer ebenso scharfen Zunge geschnitten und zerstückelt worden war.
    Sie hatte ihm erzählt, sie wollte einen Beitrag über einen eingeborenen Mann aus Florida machen, der nach Minnesota übergesiedelt war: Der Cop aus der Großstadt paßt sich dem Leben in der Kleinstadt an. Eine harmlose Geschichte. Aber gesendet wurde ein Exposé seines Lebens. Sie hatte
    rücksichtslos die Vergangenheit exhumiert, die er begraben hatte, und sie im ganzen Staat bekannt gemacht, das krönende Juwel ihre ersten Prime Time Special für die TV-7-Nachrichten.
    Die tragische Geschichte von Mitch Holt, Soldat für die Gerechtigkeit, dessen Leben durch einen willkürlichen
    Gewaltakt zertrümmert worden war.
    »Wieder ein Punkt für den Ermittlungsreporter.« Die
    Bemerkung bebte vor barschem Sarkasmus. Er drehte sich zu ihr. »Gratuliere, dass Sie wieder einmal das auf der Hand Liegende erkannt haben.«
    Ihr Mund wurde schmal. Sie sah ihn mit funkelnden Augen an.
    »Was ich berichtet habe, war allgemein zugänglich.«
    Ich mach nur meinen job. Allgemein bekannt. Die
    Öffentlichkeit hat ein Recht zu erfahren … Diese Phrasen dröhnten in seinem Kopf wie Hammerschläge gegen seinen Sinn für Anstand. Der Druck erreichte den roten Bereich, und seine Beherrschung zerbarst wie brüchiges altes Metall.
    »Nein!« brüllte Mitch und machte einen Schritt auf sie zu. Sie wich mit weitaufgerissenen Augen zurück, und er folgte ihr, mit ausgestrecktem Zeigefinger, der wie ein Pfeil der Wahrheit auf sie schnellte. »Was Sie berichtet haben, war mein Leben. Kein Hintergrundmaterial. Nicht Farbe. Mein Leben. Ich will, dass mein Leben mir gehört. Wenn ich wollte, dass jeder in Minnesota die Geschichte meines Lebens erfährt, würde ich eine Scheiß-Biographie schreiben!«
    115
    Sie lehnte jetzt an der Wand, mit dem Kopf direkt unter dem Foto von Gordie Knutson, der gerade Wayne Gretzky die Hand schüttelt. Keine Abgebrühtheit der Welt konnte die Tatsache kaschieren, daß sie zitterte. Doch bei all dem ließ sie ihn nicht aus den Augen, las alles, saugte alles auf und verstaute es in ihrem berechnenden Hirn. Mitch konnte fast sehen, wie sie fieberhaft überlegte, diese Szene zu benutzen, einen Vorteil daraus zu ziehen, einen Hauch von ›intimem

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