Sündige Gier
Creighton zögerte und sagte dann: »Obwohl ich hoffe, dass du die Rolle des Familiensprechers übernimmst. Die Reporter werden über uns herfallen wie die Aasgeier.«
Doug nickte knapp. »Ich werde dafür sorgen, dass sie dich und deine Mutter in Frieden lassen. Natürlich werden wir ihn nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit beerdigen können, trotzdem werde ich darauf bestehen, dass die Trauerfeier so würdevoll wie möglich abläuft.
Wir müssen unseren Angestellten ein Vorbild sein und die Firma am Laufen halten, denn das hätte auch Paul gewollt. Darum möchte ich, dass du dich vorbereitest. Ich habe dir alle nötigen Unterlagen zusammenstellen lassen und in dein Zimmer gelegt. Du solltest sie heute Abend durchsehen und dich über unsere neuesten Produkte, unsere Marktposition und die Geschäftsziele fürs nächste Jahr informieren.«
»In Ordnung.« Vergiss es.
Sein Vater schien seine Gedanken zu lesen. Er fixierte ihn mit einem eisenharten Adlerblick. »Das ist das Mindeste, was du tun kannst, Creighton. Du wirst bald dreißig. Ich war zu nachsichtig mit dir und bin daher mitverantwortlich dafür, dass du dich so wenig für die Firma interessierst. Ich hätte dir mehr Verantwortung übertragen, dich mehr in unser expandierendes Geschäft einbinden sollen. Paul…« Er stockte bei dem Namen. »Paul hat mich immer dazu angehalten. Stattdessen habe ich dich gewähren lassen. Damit ist jetzt Schluss. Es ist an der Zeit, dass du dich deiner Aufgabe stellst. Jetzt, wo Paul tot ist, wirst du das Kommando übernehmen müssen, wenn ich mich eines Tages zur Ruhe setze.«
Wem wollte er etwas vormachen? Vielleicht sich selbst, aber Creighton ließ sich nicht täuschen. Sein Vater war völlig realitätsfern, wenn er glaubte, dass Creighton bereitwillig in seine unternehmerischen Fußstapfen treten würde. Er hatte keinen blassen Schimmer vom Geschäft und wollte auch nichts darüber lernen. Das Einzige, was ihn an diesem Unternehmen interessierte, war das Einkommen, das er daraus bezog. Er liebte sein Leben so, wie es war, und hatte nicht die Absicht, etwas daran zu ändern, indem er irgendeine Position übernahm, die genauso gut irgendein Wasserträger ausfüllen konnte.
Aber dies war nicht der Zeitpunkt, um ein weiteres Mal jenes Kammerspiel aufzuführen, das er und sein Vater schon tausendmal gegeben hatten und in dem ihm seine persönlichen Fehler sowie seine falsch gesetzten Prioritäten vorgehalten wurden, bevor an sein Pflichtgefühl und an seine Verantwortung als Erwachsener, als Mann und als Wheeler appelliert wurde. Der ganze Bockmist.
Um das Thema zu wechseln, fragte er: »Bringen sie es schon in den Nachrichten?«
»Wenn jetzt noch nicht, dann sicher bald.« Doug kehrte an den Schreibtisch zurück, griff nach einem Blatt und reichte es Creighton. »Würdest du bitte die Liste abtelefonieren und alle darauf benachrichtigen? Sie haben es verdient, dass ihnen ein Mitglied der Familie persönlich Bescheid gibt und sie es nicht aus dem Fernsehen erfahren.«
Creighton überflog die ausgedruckte Liste und erkannte in den meisten Namen enge persönliche Freunde seines Onkels Paul, wichtige Aktionäre von Wheeler Enterprises, Vertreter von Stadt und Staat und andere prominente Geschäftsleute.
»Und würdest du auch mit Ruby sprechen?«, bat Doug. »Sie weiß, dass etwas im Busch ist, aber ich habe es nicht übers Herz gebracht, ihr die Wahrheit zu sagen, vor allem unter diesen grässlichen Umständen. Du weißt, wie sehr sie Paul geliebt und bewundert hat.«
»Ja, mache ich.« Mit Vergnügen, dachte Creighton. Das war eine Möglichkeit, ihr die vielen Frechheiten heimzuzahlen. »Soll ich mit dir ins Leichenschauhaus fahren?«
»Danke, aber nein«, lehnte Doug ab. »Das kann ich nicht von dir verlangen.«
»Gut. Ich könnte mir tatsächlich kaum was Schlimmeres vorstellen.« Creighton tat so, als müsste er kurz überlegen, und schüttelte sich dann. »Außer vielleicht einer Seniorenkreuzfahrt.«
2
»Julie?«
Sie hatte ins Leere gestarrt, ohne die klingelnden Telefone wahrzunehmen, die Hektik um sie herum, die vorbeihastenden Menschen und die neugierigen Blicke, die man ihr zuwarf. Als sie ihren Namen hörte, drehte sie sich um und stand auf, um den Mann zu begrüßen, der auf sie zukam. »Doug.«
Die Blutflecken auf ihrer Kleidung ließen Pauls Bruder kurz innehalten, tiefe Trauer kerbte sich in sein Gesicht. Sie hatte Gesicht, Hals, Arme und Hände mit der stark duftenden
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