Süß ist die Angst
Sophie ihre Unterlagen nun Natalie überlassen, deren Reportage nahezu über Nacht landesweite Aufmerksamkeit erhalten hatte.
»Und dabei ist das deine Story, Sophie«, sagte Natalie traurig. »Ich habe die Lorbeeren gar nicht verdient.«
»Hör auf, Natalie. Du hast mehrfach auf meine Beteiligung hingewiesen. Ich bin vor allem froh, noch am Leben zu sein. Und ehrlich gesagt beschäftigen mich im Augenblick ganz andere Dinge.«
Wie zum Beispiel die Horde Reporter, die ihr auf Schritt und Tritt folgte. Wie zum Beispiel die Alpträume, in denen sie die Schießerei wieder und wieder durchlebte. Wie die Erschöpfung, die es ihr fast unmöglich machte, den Tag zu überstehen, ohne mindestens ein Nickerchen einzuschieben. Und wie zum Beispiel die Klage auf Mord im Affekt, den die Staatsanwaltschaft gegen Megan erhoben hatte, und die lange Liste an Straftaten, für die sich Hunt rechtfertigen musste.
Gott, sie vermisste ihn! Sie vermisste ihn so sehr, dass es weh tat. Sie hatte ihn nicht mehr gesehen, nicht einmal aus der Ferne, seit man ihn in den Helikopter gehoben hatte. Der Richter hatte ihn zu seiner eigenen Sicherheit abgeschirmt und verweigerte ihm jeglichen Kontakt zu Zeugen in diesem Fall. Sophie ging immer wieder die Tage durch, die sie gemeinsam verbracht hatten, und kostete in ihren Erinnerungen jede Berührung, jede Liebkosung, den Klang seiner Stimme, seinen Duft aus.
Es geht weniger um das Wo, Sophie, sondern um das Wie. Nichts schmeckt wie eine Frau, und keine Frau schmeckt wie du.
Manchmal war sie überzeugt davon, dass sie ihn nie wiedersehen würde, und sie musste sich nicht wenige Nächte in den Schlaf weinen. Und wollte er sie überhaupt noch?
»Das ist nur posttraumatischer Stress«, sagte Kara.
»Natürlich will er dich noch«, sagte Tess kopfschüttelnd. »Wenn sich ein Mann für eine Frau in die Schusslinie wirft, muss es wahre Liebe sein. Übrigens spreche ich aus Erfahrung.«
Doch in der dritten Woche begann sich Sophie zu fragen, ob sie nicht etwas anderes, zumindest für ihre Erschöpfung, verantwortlich machen musste. Da sie sich dank des stets präsenten Mobs von Paparazzi, wer anderen bis in die Drogerie hinterherlief, hatte keine andere Bezeichnung verdient, keinen Test besorgen konnte, machte sie einen Termin bei ihrer Ärztin. Diese zapfte ihr Blut ab und rief sie bald darauf wegen der Ergebnisse an.
»Sie sind schwanger.«
»W… wirklich?« Sophie hatte eigentlich keinen Grund, überrascht zu reagieren, brauchte aber dennoch einen Moment, um sich zu fassen. »Oh, Gott!«
»Sind das gute oder schlechte Nachrichten?«
Unter Tränen lachte Sophie.
»Hervorragende!«
»Nun, dann herzlichen Glückwunsch. Nach meinen Berechnungen müsste das Baby um den achtzehnten November kommen. Sie sollten einen Vorsorgetermin machen.«
Innerlich jubelnd tat Sophie es und legte auf, nur um sich bewusst zu machen, dass sie ihre Schwangerschaft nun vor der ganzen Welt geheim halten musste. Wenn die Regenbogenpresse davon erfuhr, würde sie sich nicht mehr einkriegen. Und wer konnte schon sagen, welche rechtlichen Folgen das für Hunt und sie haben würde?
Sie wählte Tessas Nummer und fragte sich, ob Tessa ihre Freude teilen oder sie für vollkommen verrückt halten würde.
»Tessa? Ich muss dir unbedingt etwas erzählen!«
An Händen und Füßen mit Fesseln gesichert, schlurfte Marc in den Verhörraum, setzte sich und wartete. Warum hatten sie ihn hergebracht? Was sollte der Schwachsinn? Er hatte den Cops bereits alles in allen Einzelheiten erzählt. Man hätte meinen sollen, sie hätten keine Lust mehr, ihn zu befragen.
Darcangelo marschierte herein, schloss die Tür und bedachte Marc mit einem finsteren Blick.
»Sophie ist schwanger.«
Die Worte des Cops hauten Marc fast um.
»Was?«
»Bist du taub?«
Marc schüttelte wie betäubt den Kopf.
»Geht es ihr … geht es ihr gut?«
»Abgesehen davon, dass sie schwanger, alleinstehend und am Boden zerstört ist, klar.« Darcangelo zuckte die Achseln. »Ich gehe davon aus, dass du weißt, wann und wie es passiert ist.«
»Ja.« Er machte sich nicht die Mühe, dem anderen zu erklären, dass Sophie es darauf angelegt hatte, schwanger zu werden. »Weiß ich.«
Die Tage und Nächte mit ihr kamen ihm inzwischen irreal vor – so als hätte er nur einen wunderschönen Traum gehabt. Dennoch konnte er sich an jede Einzelheit ihres Gesichts erinnern, an den Duft ihres Haars, das Gefühl ihrer Haut auf seiner. Die Erinnerungen hielten
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