Süß ist die Angst
gesagt hatten, hatte ihre Angst geschürt.
»Hast du einen Puls?«
»Verdammt, keine Ahnung. Die Maschine sagt 146 .«
»Er versucht zu atmen. Mach die Ventile weit auf und halte eine neue Flasche Ringerlösung bereit.«
»Blutdruck vierzig zu gar nichts. Scheiße. Wir verlieren ihn. Los, intubieren!«
Sie hatten die Sauerstoffmaske gegen ein Beatmungsgerät getauscht, das Luft in seine Lungen gepumpt, für ihn geatmet hatte. Dann waren sie losgerannt, hatten ihn neben Pastor John in den Hubschrauber verfrachtet und waren abgehoben.
Sophie hatte dem Hubschrauber hinterhergestarrt und ihre Gebete mitgeschickt, bis man sie mit Megan und Connie in den Wagen gesetzt hatte. Die Furcht in ihrem Inneren war so eisig und allumfassend gewesen, dass sie nicht einmal mehr hatte weinen können.
Er muss leben! Bitte lass ihn leben.
Julian ging nun vor ihr in die Hocke und unterbrach ihre Gedanken.
»Wir bringen dich jetzt ins Krankenhaus, okay, Sophie?«
»Okay.« Aber es war ihr egal.
Sie fuhren sie mit einem Krankenwagen ins Hospital, meldeten sie unter Bewachung in der Ambulanz an, und sie tat, was man ihr sagte, zog sich aus, streifte das Krankenhaushemd über, ließ sich anstandslos von den Ärzten untersuchen. Sie spürte kaum, als man ihr die Nadel für den Tropf in den Handrücken stach, und brach nur einmal zusammen, als man sie dazu brachte, sich die Hände zu waschen, und Hunts Blut im Ausguss verschwand.
Bitte, Gott, lass ihn leben. Lass ihn überleben!
Aber als man versuchte, ihr ein Beruhigungsmittel zu geben, wehrte sie sich.
»Ich will nicht schlafen. Ich kann nicht!«, brüllte sie die Schwester an, wohl wissend, dass sie hysterisch wirkte. »Wenn ich schlafe, kann ich nicht mehr für ihn beten oder ihm helfen. Und ich weiß nicht mehr, was mit ihm geschieht. Ich muss doch wissen, was …«
»Es tut mir leid, aber das ist eine ärztliche Anweisung. Wenn Sie sich wehren, müssen wir Sie anschnallen.« Die Schwester bedachte sie mit einem mitfühlenden Blick und injizierte das Medikament.
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31
S ophie kämpfte darum, wach zu werden, aber sie fühlte sich erschlagen und wusste nicht genau, wo sie war. Tageslicht strömte durch ein großes Fenster zu ihrer Linken, und der Himmel draußen war klar und blau. Ein kleiner blauer Plastikkrug mit ihrem aufgeklebten Namen stand neben dem Bett, und in ihrem Handrücken steckte eine Nadel. Warum war sie im Krankenhaus?
Einen Moment lang verstand sie nichts.
Kein Happy End … Für uns gibt es kein Happy End …
Und da stürzten die Ereignisse wieder auf sie ein, und mit ihnen die nackte Panik.
»Hunt!« Mit einem Ruck saß sie kerzengerade. »Nein!«
Sie hatte nicht einschlafen wollen, aber man hatte ihr ein Schlafmittel gegeben, und nun hatte sie keine Ahnung …
»Bleib ruhig, Sophie.« Tessa saß neben ihr. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, und in ihrem Schoß lag ein aufgeschlagenes Buch. »Leg dich wieder hin. Du bist in Sicherheit.«
Aber Sophie interessierte sich nicht für sich selbst. Die Furcht ballte sich in ihrem Magen zusammen, als sie die Frage stellte, deren Antwort sie fürchtete.
»Hunt – Marc Hunter. Ist er … ist er am Leben?«
Tessa nickte.
»Er liegt auf der Intensivstation. Sie haben ihn fünf Stunden operiert. Er hängt noch an allen lebenserhaltenden Maschinen, aber der Arzt meint, er wird es wahrscheinlich schaffen.«
Sophie schloss die Augen und ließ sich ins Kissen zurücksinken. Die Erleichterung, die sie durchströmte, war so stark wie eine Droge, und Tränen stiegen in ihr auf.
Gott sei Dank! Gott, ich danke dir!
Tessa nahm Sophies Hand, drückte sie und sprach mit sanfter tröstender Stimme. »Der Geistliche hat es auch geschafft. Seine Frau ist jetzt bei ihm. Nette Person. Sie hat dir das Leben gerettet, nicht wahr?«
Sophie nickte und versuchte, sich ein wenig unter Kontrolle zu bringen.
»Ja. Mein Gott, ich bin so froh. Was ist mit Harburg?«
»Er lebt. Mehr schlecht als recht. Die Kugel hat sein Rückgrat beschädigt, und der Kiefer musste verdrahtet werden. Er wird den Rest seines Lebens im Rollstuhl verbringen und Windeln tragen.«
Eine passende, wenn auch längst nicht ausreichende Strafe für einen Vergewaltiger und Mörder.
Tessa fuhr fort. »Gary King geht es gut. Er hat eine Menge Blut verloren, aber sein Bein konnten sie retten. Er hat eingewilligt, einen Deal mit der Staatsanwaltschaft einzugehen.«
Darauf würde es also hinauslaufen. King würde als Kronzeuge auftreten,
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