Sueßer Tod
Jugend, ehe du der große Strafverteidiger wurdest? So hast du es mir jedenfalls erzählt.«
Reed stöhnte und versuchte, den Weg für die drei zu ebnen, so gut er konnte.
Hier, wie in jedem anderen Beruf, waren die richtigen Beziehungen und Kontakte von großem Nutzen.
»Und vergiß nicht«, bemerkte Reed von Zeit zu Zeit, »dir steht eine Anklage wegen Einbruchs bevor.«
»Ich bin nicht eingebrochen«, sagte Kate, »ich bin bloß durch ein Badfenster eingestiegen, das sich von außen öffnen ließ. Und wäre ich nur ein Pfund schwerer, hätte ich es nie geschafft. Ich habe nichts mitgenommen, mich nur ein bißchen umgesehen.« Reed stöhnte. »Und wenn du’s genau wissen willst«, sagte Kate, entschlossen, den Disput zu beenden. »Ich war sehr froh über die kleine Aktivität.
Ich hatte mich gerade bei Madeline beschwert, daß ich nichts anderes tue als reden, reden, reden.«
»O’Malley sagt, für eine Frau wärst du sehr schweigsam gewesen. Ich hätte mir denken können, daß das ein schlechtes Omen war. Ist dir übrigens schon aufgefallen, daß du eine sonderbare Vorliebe für Verbrechen in Massachusetts entwickelt hast?«
»Kein bißchen sonderbar. Dort sind ja schließlich die meisten Colleges. Um Northhampton und Amherst herum gibt es gleich fünf, wo ich noch nie gewesen bin.«
»Ob die wissen, was für ein Glück sie haben?«
Zum Schluß fuhr Kate noch einmal ans Clare, um der Rektorin zu berichten.
Die arme Frau – so sah Kate sie allmählich – hatte eine Stunde von ihrem Terminkalender abgeknapst, was alles andere als leicht war. Kate entschuldigte sich.
»Es ist ja nicht Ihre Schuld«, sagte die Rektorin. »Ich bin Ihnen dankbar für das, was Sie getan haben. Zumindest glaube ich, daß ich das bin. Das Ärgerliche bei einer Terminplanänderung ist bloß, daß immer die angenehmen Dinge gestrichen werden. Man kann einen Kollegen vertrösten, aber nie einen Kuratoren oder einen aufgebrachten Spender. Wollen wir ganz von vorn anfangen? Ich meine, bei Ihrem ersten Besuch hier?«
»Darin sehe ich nicht viel Sinn«, sagte Kate. »Zu Anfang bin ich ja nur 133
herumgestreift, hab mit Leuten geredet und dumme Fragen gestellt. Erst zum Schluß hatten wir, Archer und ich, ein bißchen Glück, aber nicht viel. Trotzdem: wären wir nicht so beharrlich gewesen, sie wären wahrscheinlich ungeschoren davon gekommen. Sie hatten es sehr schlau eingefädelt.«
»Die Geddes.«
»Ja. Alle beide, glaube ich. Aber das werden ihre Anwälte auseinanderklamüsern müssen. Die Psychologen nennen so etwas wohl eine folie à deux. Meiner Meinung nach ist das keine schlechte Beschreibung für die meisten Ehen: ein Neurosenverschnitt. Entschuldigen Sie, ich schweife schon wieder ab, aber ich habe noch nie einer Collegerektorin Bericht erstattet. Ich werde mir Mühe geben, bei der Sache zu bleiben.«
Rektorin Norton lächelte nicht. Sie wartete. Dann sagte sie: »Vielleicht können Sie mit dem Freitag beginnen, an dem Sie den Rasen der Geddes aufgruben. Wieso hatten Sie die überhaupt in Verdacht?«
»Merkwürdig, aber ich verdächtigte sie überhaupt nicht, jedenfalls nicht zu Anfang. Eine Menge anderer Leute schienen mir viel mehr in Frage zu kommen: Veronica, mehrere Dozenten aus verschiedenen Fachbereichen, ein Arzt. An irgendeinem Punkt hatte ich mich fast selbst überredet, daß Patrice den erstaunlichen Entschluß gefaßt habe, sich mitten in der Nacht zu ertränken und einen Abschiedsbrief zu hinterlassen, der auf den ersten Blick überzeugend wirkte, auf den zweiten jedoch völlig unglaubwürdig war. Irgendwann während meiner Woche hier kam ich dann zu der Überzeugung, daß sie ermordet wurde. Und einer der Punkte, der mich davon überzeugte, war, daß schon zuvor jemand, wenn auch auf sehr indirekte und riskante Weise, versucht hatte, sie umzubringen. Den Beweis dafür hat der arme Herbert ausgegraben.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen«, sagte die Rektorin. »Welcher Mordversuch?
Und wer ist Herbert?«
»Verzeihung. Herbert ist der andere Biograph – neben Archer. Seine Ferien begannen, als wir alle wieder an die Arbeit gehen mußten. Der erste Mordversuch war die Inszenierung eines vermeintlichen Arztes, der Patrice einreden wollte, sie habe unheilbaren Krebs, der wahrscheinlich schnell zum Tod führe. Es war ein schlauer Plan, und bei Patrices Ansichten über den Tod hätte er leicht funktionieren können. Ich bin mir fast sicher, daß der Abschiedsbrief schon zu dem Zeitpunkt geschrieben wurde
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