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Das unanständige Foto

Das unanständige Foto

Titel: Das unanständige Foto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Im Süden des südlichen Urals, am Unterlauf des Flusses Tobol, in der Nähe der sechs Seen, die man rätselhafterweise ›Die sechs Jungfrauen‹ nennt, liegt diese Kleinstadt in einer von Wäldern eingeschlossenen Niederung, zu der eine einzige Straße führt. Im Winter ist diese durch Schneeverwehungen unpassierbar, im Frühjahr und im Herbst versinken die Fahrzeuge im Schlamm, und nur im Sommer ist es einigermaßen möglich, nach Kustanaj, einer etwas größeren Stadt, zu kommen, von der man nach mehrmaligem Umsteigen mit der Bahn nach Magnitogorssk gelangen kann.
    Es wird behauptet, daß die ersten Bewohner der Gegend von Nowo Korsaki im Jahre 1789 entdeckt wurden, als eine Kosakenabteilung auf dem Weg zum Ural im Tobol ihre Pferde tränkte und plötzlich Rauch aus den Wäldern aufsteigen sah. Die wilden Kerle ritten mit großem Geschrei in die einsame Siedlung ein, erfuhren, daß die Bewohner entlassene Verbannte waren, vergewaltigten die Frauen und Mädchen, und hauptsächlich dadurch gefiel es ihnen so gut in den Hütten, daß sie blieben und die Siedlung weiter ausbauten. Die kleine Stadt, die so entstand, tauften sie nach ihrem Kosakenführer Korsaki. Aus dem Ort Orssk am Ural raubten sie schließlich einen Popen, zimmerten eine Kirche und lebten von da an so frei wie die Wolken am Himmel und die Wellen des Tobol.
    Die politischen Wandlungen Rußlands erlebten sie nur am Rande mit. Selbst als im Jahre 1922 zum erstenmal ein Mann in schwarzer Lederjacke aus Magnitogorssk erschien, sich als Kommissar der Bolschewisten vorstellte, tönende Reden hielt und verkündete, es werde nun alles anders, Rußland gehöre den Russen – was in Nowo Korsaki nie jemand bezweifelt hatte –, selbst dann änderte sich nicht viel. In der kleinen Stadt wurde ein Parteihaus gebaut, man mußte auf einmal Steuern zahlen, und ein überlebensgroßes Denkmal aus Gips wurde errichtet, das einen Mann namens Lenin darstellte. Er zeigte mit ausgestrecktem Arm und starren Augen hinüber zu den ›Sechs Jungfrauen‹, als wollte er mit lauter Stimme ausrufen: »Dort drüben gibt es dicke Störe!«
    Das alles nahmen die Nowo Korsakier hin mit der Gelassenheit echter Waldmenschen. Nur als der Parteifunktionär die Kirche abreißen lassen wollte und den damaligen Popen Bulak provokativ am langen, schwarzen Bart zog, wallte das alte Kosakenblut wieder auf. Der Parteimensch erlag einer rätselhaften Krankheit, bei der einem die Schädeldecke platzt. Er wurde schnell begraben, und dann wartete Nowo Korsaki gelassen auf den Neuen, der aus Magnitogorssk kommen mußte.
    Mit den Jahren wuchs die kleine Stadt beachtlich, auch wenn sich an den Zufahrtsmöglichkeiten nichts änderte. Ein Sägewerk entstand, ein Magazin wurde gebaut, der Genosse Zwetkow wurde als Baubeauftragter eingesetzt, und er errichtete einen großen Lehrbetrieb, in dem Landwirtschaftsingenieure ausgebildet wurden. Ein Arzt kam nach Nowo Korsaki, dem ein Apotheker folgte, und da die neue Siedlung sich als die realisierte Idee eines Irren herausstellte (denn wie kann man Häuser bewohnen, zu denen keine Straßen führen?), bekam Zwetkow den Auftrag, auch noch für die Errichtung eines kleines Flugplatzes zu sorgen. So wurde Nowo Korsaki an die große weite Welt angeschlossen, wenn auch nur die Hubschrauber und Transportmaschinen der landwirtschaftlichen Schule dort landeten und aufstiegen.
    Zuletzt war es auch nicht ausgeblieben, daß eines Tages Babajew, der als junger Mensch zur Ausbildung nach Smolensk gegangen war, in die Heimat zurückkehrte und im elterlichen Haus ein Fotogeschäft eröffnete. Er nahm von einem Fenster die Gardine weg, hämmerte dahinter einen Holzkasten zusammen, stellte in diesen zwei Fotoapparate und zwei auf Pappe gezogene Plakate mit Buntfotos von Moskau und Leningrad hinein, malte ein Schild: ›N. R. Babajew – Fotograf‹ und fertigte ein Porträt von der Großmutter des Parteisekretärs Kasutin an. Die uralte Schanna Bespulowa starrte ihr Bildnis an, klatschte in die Hände, verdrehte die Augen und fiel in Ohnmacht. Es war das erste Foto, da sie von sich gesehen hatte.
    So etwas spricht sich natürlich herum. Babajew bekam dadurch rasch viel zu tun, fotografierte so ziemlich jeden Bürger von Nowo Korsaki, baute sich noch ein Atelier ans Haus, ließ aus der Stadt die modernsten Laborgeräte kommen, die er vorführte wie ein Museumsdirektor seine seltenen Schätze, und stieg zu einer geachteten Person empor. Seine Spezialität waren die Fotos von

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