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LIMIT - reich, gewissenlos, tot

LIMIT - reich, gewissenlos, tot

Titel: LIMIT - reich, gewissenlos, tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sullivan Mark T.
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1
    Gegen elf Uhr an diesem Silvestermorgen setzte der Winter ein. Der Wind blies von Norden und brachte klirrende Kälte. Bleischwere Wolken wälzten sich heran und warfen einen blassen, kristallinen Schimmer über die Westflanke der Jefferson Range, einer Gebirgskette im Südwesten Montanas.
    Drei Transporthubschrauber flogen in östlicher Richtung auf die fernen Berge zu, über ein Tal hinweg, das aus Farmland bestand und von den Windungen eines Flusslaufs durchzogen war. Als sie sich den Gebirgsausläufern näherten, setzten Schnee und Hagel ein. Die Sicht wurde zunehmend schlechter. Der Pilot des vordersten Vogels wurde nervös.
    »Wir kriegen eine Menge Schnee und Seitenwind, General«, sagte er ins Mikrophon, die Augen auf den harten Kerl neben ihm gerichtet, der von Kopf bis Fuß in einen weißen Tarnanzug gehüllt war und einen Klettergurt umgelegt hatte. »Sollen wir die Sache wirklich durchziehen?«
    Der General drehte ihm den Kopf zu und musterte ihn kalt. »Wir haben einen Zeitplan«, entgegnete er eisig. »Den setzen wir nicht aufs Spiel.«
    Der Pilot wandte sich wieder nach vorn. Der Ausdruck in den Augen des anderen vermittelte ihm das ungute Gefühl, verzichtbar zu sein.
    »Dann macht euch auf was gefasst«, sagte er schließlich.
    Sie gewannen an Höhe und tauchten in die Wolken ein. Die Sicht betrug hier keine sechzig Meter mehr. Heftige Seitenwinde setzten dem Hubschrauber zu und brachten ihn ins Schlingern. Der Pilot hatte Mühe, den bockigen Vogel auf Kurs zu halten. Einige der fünfzehn Passagiere im Rumpf, ebenfalls in Tarnanzügen, fluchten leise.
    »Auf dreitausend Metern wird’s noch schlimmer«, rief der Pilot zähneknirschend. »Ich kann nicht garantieren, dass ihr heil unten ankommt.«
    »Überflieg die erste Landezone«, sagte der General. »Nimm die zweite.«
    »Dann wird aber der Fußmarsch länger«, sagte der Pilot.
    »Lässt sich eben nicht ändern«, blaffte der General.
    Der Pilot ging auf Funk, gab die Order an die beiden anderen Helikopter weiter und drehte mit dem Wind nach Süden ab. Das Schlingern wurde schwächer, aber die Sicht blieb unverändert schlecht. Zweimal geriet der Hubschrauber in den dichten Wolken zu tief und hätte mit seinen Kufen fast die Wipfel der Kiefern rasiert. Trotz der eisigen Luft, die durch die Türritzen hereinzog, trat dem Piloten der Schweiß auf die Stirn und lief ihm über die Nase. Er hatte fünfzig Einsätze im Irak hinter sich und war zweimal in einen Sandsturm geraten, aber gegen diese Waschküche hier war das das reinste Kinderspiel gewesen.
    Den General schien die heikle Lage nicht im Mindesten zu berühren. Der Ausdruck berechnender, grimmiger Entschlossenheit war ihm förmlich ins Gesicht geschnitten. Er warf einen Blick über die Schulter, in den Bauch des Helikopters. Säuerlicher Schweißgeruch lag in der Luft, den er nur allzu gut kannte: Soldaten, die sich ihrer Sterblichkeit bewusst wurden. Sein Blick schweifte über die Männer und Frauen auf den Bänken. In den meisten Gesichtern las er mehr oder weniger dasselbe – angespannte Erwartung.
    Drei jedoch wirkten irgendwie fehl am Platz, ängstlicher, empfindlicher als die übrige Crew. Ein Mann, zwei Frauen. Sie saßen nebeneinander, warfen sich verstörte Blicke zu. Er erhaschte den Blick der Frau, die ihm am nächsten war. Anfang zwanzig. Eher niedlich als hübsch, klein und drahtig, das rotblonde Haar zu Dreadlocks gezwirbelt, die Nase gepierct.
    »Alles klar, Mouse?«, fragte der General.
    Mouse starrte den General an, als wäre sie eine Art Prophetin, und sagte: »Höchste Zeit, dass sie endlich für das Unheil büßen, das sie in die Welt gebracht haben.«
    Zustimmendes Raunen von den anderen. Der hellblonde Bursche neben Mouse setzte mit einem starken französischen Akzent hinzu: »Höchste Zeit, dass wir ihnen Feuer unter die fetten Hintern machen.«
    »Gut so, Christoph«, stimmte der General zu. »Rose? Ist dir schlecht?«
    Die Braunhaarige mit der großen Nase neben Christoph stöhnte elend: »Wenn das Geschaukel so weitergeht, muss ich kotzen. Ich bin diesen Scheiß nicht gewöhnt. Ich weiß nicht, ob ich’s noch bis zur zweiten Zone schaffe.«
    Das Gesicht des General wurde hart. »Reiß dich zusammen, sonst fliegst du raus.«
    Rose legte stöhnend den Kopf auf die Knie. Der Blick des Generals drang tiefer in den Bauch des Helikopters und blieb auf einem massigen Schwarzen haften, dem der kahle Schädel wie ein Basketball zwischen den breiten Schultern

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