Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
gerechnet, überhaupt irgendwas zu empfangen, höchstens dann und wann etwas aus den Hubschraubern aufzuschnappen, wenn sie vorbeiflogen.
»Drei-drei-neun ruft drei-eins-eins.« Kent. Aus dem Funkgerät drang ein Geräusch, als würde Kreide auf einer Tafel kratzen, dann ein Rasseln und eine schwache Stimme. »Drei-eins-eins. Bitte melden, drei-eins-eins.«
Drei-eins-eins war die Zentrale. Irgendwas stimmte nicht. Kent wusste doch genau, dass man von den meisten Orten der Hochebenen nicht ins Tal funken konnte. Sie drückte die Sprechtaste. »Kent, hier ist Sam.«
Dann ließ sie los. Nur statisches Rauschen und dann etwas, das wie Luftschnappen klang. Sie versuchte es noch einmal. »Kent, hörst du mich?«
Wieder Rauschen. Hatte er den Finger auf der Scheiß-Sprechtaste? »Kent? Kent?«
»Sam?« Sein Stimme klang dünn und kratzig – als wären sie mit Blechbüchsen und Bindfaden verbunden. »Sam, ich kann die Zentrale nicht erreichen. Ich muss sie dringend sprechen.«
»Ich bin näher als die Zentrale und kann dich kaum verstehen. Wo bist du?«
Schweres Atmen. »Milagro Canyon … nahe Ghost Stack.«
»Zwischen der Zentrale und dir liegt Monument Ridge. Sie können dich nicht hören. Du musst auf die Mesa.«
Eine kurze Pause, es knackte und rauschte. »Kann nicht klettern. Brauche Hilfe. Die Zentrale.« Er klang völlig desorientiert.
Sam umklammerte das Funkgerät so fest, dass ihre Handknöchel ganz weiß wurden. »Rede mit mir, Kent. Was ist passiert? Sag schon!«
Er atmete tief ein. »Schüsse.«
»Wer ist verletzt? Ende.«
Rauschen. Oder vielleicht ein Husten? »Berglöwe … liegt hier … lebt noch.«
»Man hat auf einen Puma geschossen?« Dann war es also doch kein Donner gewesen, sie hatte tatsächlich Schüsse gehört.
Lautes Atmen. »Auf mich auch.«
Ihr Brustkorb zog sich zusammen. »Wiederhole bitte.«
»Wilderer … drei Mann. Ein Puma angeschossen.« Er hustete. »Ich auch.«
Eine Adrenalinwelle erfasste sie. »Sind die Männer noch da?«
Gurgelndes Atmen. »Nur die Raubkatze und ich.«
»Halte durch – ich komme. Bin so schnell da, wie ich kann. Verstanden.«
Sie versuchte, die Zentrale mit dem Funkgerät zu erreichen. Wie sie vermutet hatte, kam sie nicht durch. Dann rannte sie zu Perez und riss ihm das Satellitentelefon aus der Hand.
»He!«
Sie unterbrach das Gespräch und drückte die Kurzwahl für die Zentrale.
»Heritage National Monument, Zentrale.«
»Wir brauchen den Rettungshubschrauber im Milagro Canyon – ein Ranger ist angeschossen.« Sie nahm ihren Rucksack und warf ihn sich über die Schulter.
»Was? Wer spricht denn da?«
Sam rannte bereits den Pfad hinunter. Im Laufen sagte sie, wer sie war, dann schrie sie ins Telefon: »Kent Bergstrom ist verletzt! Schicken Sie den Hubschrauber rauf. Zum Milagro Canyon! Aber schnell!«
15
Sams Beinmuskeln protestierten stark. Hörte dieser Albtraum denn nie auf?
Sie hielt immer noch das Telefon ans Ohr und hörte Tanners langatmigen Erklärungen zu, dass die Suchhubschrauber der zivilen Luftpatrouille nur rudimentär für Erste Hilfe ausgerüstet seien und nicht versichert, um Leute zu behandeln.
»Ist mir scheißegal, ob die versichert sind oder nicht!«, blaffte sie. »Die können dort landen, Kent auflesen und ins nächste Kranken…«
Tanner unterbrach sie. »Es geht dabei um die Haftung.«
Kent war angeschossen worden, und seine Vorgesetzte sorgte sich tatsächlich um Versicherungsfragen? Tanner redete weiter, die St.-George-Feuerwehr würde einen Hubschrauber schicken. Aber der müsste erst bei der Zentrale einen Ranger aufnehmen, der sie an die richtige Stelle führen konnte.
Wie lange würde das dauern? Wenn sie die ganze Strecke lief, konnte sie in fünfundvierzig Minuten bei Kent sein. Als Ranger hatte sie natürlich eine Erste-Hilfe-Ausbildung. Sie konnte nur hoffen, dass er sich selbst bis dahin helfen konnte.
Hinter sich hörte sie die stetigen Schritte von Perez. Sie kamen an den Abzweig zum Temple Canyon, schlitterten eine Reihe von Serpentinen hinunter und passierten die Ruinen der Anasazi. Hatte Perez die Steinhäuser unter dem Überhang überhaupt bemerkt? Wahrscheinlich nicht. Zweifellos musste er genau wie sie auf den steinigen Weg achten.
Wegen der Höhe fiel ihr das Atmen schwer. Perez pustete auch. Als sie sich dem Milagro Canyon näherten, kamen sie an zwei weiteren Vermisstenzetteln vorüber, die Kent wohl aufgehängt hatte.
Nach einem schier endlosen Lauf, bei dem ihr fast die Lunge
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