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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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argwöhnen konnte, was sich nachts zugetragen hatte. Und trotzdem fühlten sich die Liebenden plötzlich weit voneinanderentfernt – etwas zwischen ihnen war für immer zerbrochen. Die Leere, die das Verschwinden dieses kaum gesehenen Kindchens hinterließ, vergrößerte sich mehr und mehr, um zu einem Abgrund zu werden, der die beiden Elenden auf ewig trennte. Sie wußten, daß in Zukunft jeder Blick, den sie wechselten, sie an ihr Verbrechen erinnern würde, und Tonets Verstörtheit wuchs noch bei dem Gedanken, daß Neleta das wahre Schicksal ihres Kindes nicht kannte.
    Bei Einbruch der Dunkelheit füllte sich die Taverne mit Bootsführern und nach ihren Höfen zurückkehrenden Bauern, die stolz ihre zusammengebündelten Krickenten und Wasserhühner vorwiesen. Welch herrliche Jagd! ... Alle hatten Durst, und alle wußten sie irgendein Stückchen von besonderem Jagdglück oder besonders guten Treffern zu erzählen. Um von seinen Gedanken loszukommen, ging Tonet von Gruppe zu Gruppe, saß bald an diesem, bald an jenem Tisch und stieß mit jedem Gaste an. Vielleicht würde ihm die Trunkenheit Vergessen bringen! Und er trank und trank. Und selbst seine Freunde staunten: so ausgelassen hatte man den Kubaner lange nicht gesehen!
    Jetzt erschien auch der alte Paloma.
    »Heilige Himmelskönigin! ...« Forschend hefteten sich seine kleinen Augen auf Neleta. »Wie du aussiehst! ... Bist du krank?«
    Die Wirtin sagte irgend etwas von heftigen Kopfschmerzen, die sie nicht hätten schlafen lassen, wozu der Alte, der ihre schlechte Nacht mit dem unerklärlichen Ausreißen seines Enkels in Verbindung brachte, spöttisch mit den Augen zwinkerte. Dann aber wandte er sich von ihr zu Tonet.
    »Du Lümmel! Schämst du dich nicht über dein würdeloses Benehmen? Nur einem Taugenichts wie dir kann es einfallen, Sangonera zum Bootsführer zu bestellen!«
    Tonet entschuldigte sich so gut er konnte und schwor bei allen Heiligen, das nächste Mal seine Pflicht getreulich zu erfüllen.
    Durch dieses Versprechen ein wenig milder gestimmt, fuhr der Großvater fort:
    »Ich habe Don Joaquin zu einer Jagd in den Dickichten bei Palmar eingeladen. Er kommt in der nächsten Woche, und dann wollen wir ihn alle beide begleiten. Vergiß aber nicht wieder, daß man die Herren aus Valencia zufriedenstellen muß, damit sie der Albufera treu bleiben. Was würde sonst aus den Leuten am See? ...«
    In dieser Nacht betrank sich Tonet und blieb, statt nach Neletas Schlafzimmer hinaufzugehen, schnarchend neben dem Ofen sitzen. Keiner der beiden suchte den anderen, eher schienen sie einander zu fliehen und eine gewisse Erleichterung im Alleinsein zu finden.
    Auch am nächsten Abend war Tonet berauscht. Alkohol brauchte man, um das Gewissen einzuschläfern und zum Schweigen zu bringen!
    Über Sangoneras Befinden gelangten neue Nachrichten zur Taverne: er war rettungslos verloren. Die Frauen, die ihn auch weiter noch besuchten, nachdem die Männer ihre Alltagsverrichtungen wieder aufgenommen hatten, erkannten die Unzulänglichkeit ihrer Mittel gegen eine Krankheit, deren Natur die weisen Gevatterinnen auf ihre Art erklärten:
    »Das Speiseknäuel, das seinen Magenmund verstopft, beginnt zu verfaulen. Man braucht ja nur zu sehen, wie der Bauch dadurch aufschwillt.«
    Als der Arzt von Sollana auf seiner wöchentlichen Visite nach Palmar kam, führte man ihn gleich zu Sangoneras Hütte. Doch auch er schüttelte den Kopf. Was war da zu tun! ... Ein Fall von Appendizitis mit tödlichem Ausgang, die Folge einer maßlosen Überladung.
    Und im Dorfe sprach man nur noch von Appendizitis; besonders den Frauen machte es Vergnügen, dieses Wort, das sie sehr komisch fanden, möglichst oft anzuwenden.
    Auch der Vikar glaubte, daß es nun an der Zeit sei, sich in die Hütte dieses Renegaten Sangonera zu begeben. Niemand verstand es wie Don Miguel, die Leute so geschwind und so ohne Umschweife fürs Jenseits abzufertigen.
    »Heda!« rief er schon an der Tür. »Bist du ein Christ?«
    Sangonera öffnete seine Augen weit vor Staunen. Er kein Christ? ... Empört über des Pfarrers Frage, blickte er empor, um in inniger, hoffnungsvoller Verzückung das Stückchen vom blauen Himmel zu betrachten, das durch die nackten Dachsparren zu sehen war.
    »Gut! Dann also, unter Männern, keine Lügen! Beichte – denn du mußt sterben«, fuhr Don Miguel fort. »Klipp und klar: sterben! Verstanden?«
    Wahrlich, dieser Pfarrer vom Karabiner sprach mit seiner Herde nicht um die Sache herum!

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