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Super Sad True Love Story

Super Sad True Love Story

Titel: Super Sad True Love Story Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Shteyngart
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jetzt drei Weizenbiere mit hohem Triacylglycerinanteil auf den Tisch geknallt. Ich legte also mit meiner Nachbereitung los und versuchte, die Jungs mit Geschichten über meine komische, schmutzige, interkulturelle Romanze mit Fabrizia zu unterhalten, zeichnete mit den Fingern die Umrisse ihrer Muschi nach. Ich schwärmte poetisch über das frische Knoblaucharoma des altweltlichen
ragù
und bemühte mich, in ihnen die Liebe zum römischen Triumphbogen zu wecken. Doch in Wahrheit war es ihnen egal. Die ganze Welt, die sie brauchten, lag direkt um sie her, flackerte und piepte, und sie verlangte all ihre Kraft und Konzentration. Noah, der Einmal-Romancier, konnte sich Rom wahrscheinlich auch anders als unmittelbar heutig vorstellen, konnte Seneca und Vergil, den
Marmorfaun
und
Daisy Miller
vor seinem geistigen Auge heraufbeschwören. Doch selbst er schien kaum beeindruckt, linste ungeduldig auf seinen Äppärät, der von mindestens sieben verschiedenen Informationsströmen überquoll, Zahlen, Buchstaben, Images stapelten sich auf seinem Display, glitten und strudelten umeinander wie früher einmal die Wasser des Tiber. «Wir verlieren Zuschauer», flüsterte er mir zu. «
Niente
über Roma,
capisce
?» Und dann, mit ganz leiser Stimme: «Humor und Politik. Klar?»
    Ich kürzte also meine Beschreibung der weiten, von der frühmorgendlichen Sonne durchfluteten Pantheon-Kuppel ab, da drehte Noah die strähnigen Überreste seiner Vorderkopfbehaarung in meine Richtung und sagte: «Na schön, Nee-ger, folgende Situation. Du musst entweder Mutter Teresa oder Margaret Thatcher ficken   …»
    Vishnu und ich lachten im richtigen Maß und lächelten unserem Wortführer zu. Mit erhobenen Händen erkannte ich die Niederlage an. Nur so konnten Männer noch miteinander reden. So zeigten wir einander, dass unsere Freundschaft noch echt, dass unser Leben noch nicht ganz zu Ende war. «Maggie Thatcher in Missionarsstellung», sagte ich. «Von hinten definitiv Mutter Teresa.»
    «Du bist
so
medien», sagte Noah, und wir hieben die Fäuste gegeneinander.
    Von dort wechselte das Gespräch zu
Threads
, einem BB C-Kultfilm über den atomaren Holocaust, dann weiter zur Musik des frühen Dylan, dann zu einem neuen Smart-Schaum gegen Genitalwarzen, zu Verteidigungsminister Rubensteins jüngstem Gestümper in Venezuela («Gibt doch nichts Paradoxeres als einen jüdischen Despoten, habe ich recht,
pendejos
?», sagte Noah), zum Beinahebankrott der AlliedWasteCVSCitigroupCredit, zum daraufhin fehlgeschlagenen Rettungsversuch durch die Bundesbank, zu unseren schwächelnden Portfolios, zum «Wah-Woh»-Geräusch der sich schließenden Zugtüren der Linie 6 im Vergleich zum resignierten «Schiiisch»-Gezisch der «L»-Bahn, zum Leben und bizarren Tod des abseitigen Komikers Pee-wee Herman und schließlich zu dem unlösbaren Problem, dass wir bald wie die meisten anderen Amerikaner auch unseren Job verlieren und zum Sterben auf die Straße geworfen würden.
    «Ich könnte jetzt echt so ein Dutzend von diesen Larp-Hühnchensalaten von ThaiSnak essen», bediente Noah einen seiner Sponsoren.
    Während die Retro-Musikanlage ein altes Stück von Arcade Fire anspielte, machte ich es mir mit einem weiteren schäumenden Bier gemütlich und beobachtete die Jungs auf einer Meta-Ebene. Noah war am schlimmsten gealtert. Offenbar war Gewicht von seiner fleischigen Denkerstirnin die Wangen hinabgesackt, wo es unschön schwabbelte, was ihm eine Aura von Wut und Unzufriedenheit verlieh. Früher war er mal eindeutig der Attraktivste und Erfogreichste von uns gewesen, hatte uns mit der Hälfte all unserer Freundinnen bekannt gemacht (so viele waren das allerdings nun auch wieder nicht), hatte uns mit angesagtem ethnischem Vokabular ausgestattet und uns stündlich mit einem Dutzend Nachrichten darüber versorgt, wie wir uns benehmen und was wir denken sollten. Doch es wurde jedes Jahr schwieriger, Vishnu und mich auf Linie zu halten. Die Jahre Ende dreißig, einstmals der Zenit des Erwachsenenlebens, waren inzwischen eine Zeit des Forschens und Probierens, und seine beiden Jungs hatten ihre eigenen Wege eingeschlagen.
    Vishnu richtete sich auf ein Leben als cooler, schicker Loser ein, wie man es am SUK-DI K-Einteiler und den Vintage-Sneakers von Bathing Ape erkennen konnte, die sicher mindestens fünfhundert Yuan gekostet hatten, und auch an seinem übereifrigen, zu lauten Lachen über Witze, das sich anders als früher anhörte – ein seltsam hupender Laut, den er

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