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Surf

Surf

Titel: Surf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Duane
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seinen Kopf nach hinten und sauste im Sturzflug hinunter. Hinein ins Wasser in steilem Winkel, der Kehlsack an der Brust minderte die Härte des Aufschlags – bis in zwei Meter Tiefe vom Einschlag verstörte Fische. (Wenn der Schnabel des Pelikans eintaucht, schnappt die obere Schnabelhälfte auf die weit aufgebogene untere und schleudert den Fisch in den geöffneten Kehlsack.) Schnell kam der Pelikan wieder hoch, den Hautsack prall voll mit einigen Litern Wasser. Als eine Minute später das Wasser abgeflossen war, hob der Pelikan den Schnabel und schluckte hinunter, was immer er gefangen hatte. Weit draußen auf See fuhr im Nebel ein riesiges Hyundai-Containerschiff.
    Ich lief hinunter zum Strand, war in zwei Schritten von einem Streifen aus zwölf orangefarbenen Mohnblumen auf den von der Brandung gerundeten Kieseln, die von herumhuschenden Krebsen bevölkert waren. Der Mond hatte eine sehr niedrige Ebbe gezogen, aber der Morgennebel schirmte die schutzlos ausgelieferten Tiere vor der Sonne ab. Ganze Gezeiten-Welten lagen da offenbart, nackt und nass wie eine rohe Haut unter der grauen Nebeldecke. Ein Schwarm Seemöwen schnappte in den flachen Lachen nach Seesternen, zerrte an Seetrauben und schiss flächendeckend das Seegras voll. Und bei all dieser Unbedecktheit trat das Leben in Streifenform klar zu Tage: die graubraunen Rankenfußkrebse und Schnecken auf den höchstgelegenen, trockenen Felsen; ein wenig tiefer die Algen auf den Felsen und ein paar baumelnde Meeresalgen, und dann ledrige Mollusken, die gesprenkelte Korallenkrusten abmähten, und unter all dem ein Vorhang aus blühendem Seegras, das die Manteltiere bedeckte. Grenzgebiete variierender Abstufungen, eine Welt am Rande und im Wandel. All diese Rankenfußkrebse, die ihre Öffnungen weit aufsperrten und sich nach Nahrung reckten, wenn Wasser sie überflutete, ein paar von ihnen mit ihren fadenförmigen Penissen umhersondierend.
    Winzige Wellen … ich stocherte ein bisschen im Flachwasser herum, wollte mich dem Unvermeidlichen nicht fügen. Wartete, dass sich der Nebel verzog, schlief eine Weile am Strand. Verbrachte meine Zeit erbärmlich damit, einen verhärteten Algenstrunk in eine Seeanemone zu stecken, um zu sehen, wie sie spritzte und sich zusammenzog; scheuchte einen kleinen Krebs in eine Ecke und focht ein Duell gegen seine monströsen Popeye-Arme; verfütterte einen Seestern an eine Anemone, zog ihn aber gleich wieder raus. Algen wogten, während ich mit meinem Board durch das flache Wasser watete – Luft und Wasser waren knapp über 10 Grad. Ich nahm an, es gab da ein Recycling, ein System , in all diesen wilden kleinen Welten, aber ein Leben von dort herleiten? Einen Code? Aus Ed Ricketts' Between Pacific Tides von 1939: «Der Besucher einer Felsküste bei Ebbe betritt wahrscheinlich den fruchtbarsten Lebensbereich der Welt – einen so dicht besiedelten Gürtel, dass oftmals nicht nur jeder Quadratmillimeter des Raums von einer Pflanze oder einem Tier genutzt wird, sondern der Wettbewerb um einen festen Platz ist so groß, dass Tiere übereinander siedeln – Pflanzen wachsen auf Tieren, Tiere wachsen auf Pflanzen.» Oder in Cannery Row , wo Ricketts als Romanfigur vorkommt und John Steinbeck Ricketts absichtlich damit Saures gibt, dass er sich die vorknöpft, die das Wilde romantisieren wollen: «Hier reißt gerade ein Krebs seinem Bruder das Bein aus … Dann stiehlt sich der kriechende Mörder, der Octopus, davon, träge, weich bewegt er sich wie ein grauer Dunst, tut so, als sei er ein Stück Alge, dann ein Stein, und jetzt wieder ein Klumpen vermodernden Fleisches, während seine bösen Ziegenaugen kalt umherschauen.» Es ist Melvilles universeller Meereskannibalismus, wo Ricketts in dem Schrecken eines überglasten Beckens lediglich eine «liebliche, bunte Welt» sieht – die Landschaft bei Ebbe als trügerisches Scheingebilde.
    Und so ging's über die bemoosten Vorsprünge und Riffe, ausgleitend und dem Meer entgegenstolpernd, Blut und Schnodder auf dem Neoprenanzug, der von Schweiß und Urin getränkt war – bis zu den Knien in dem glasigen Wasser, die Zehen der fleischigen Oberfläche des Riffs. In «The Love Song of J.Alfred Prufrock», als T.S. Eliot langsam der Last des Bewusstseins müde wird, schreibt er, er «hätte ein Paar gezackter Krallen sein sollen / Und hastig über den Boden der stillen Meere eilen». Krebse? Krabben? Oder einfach nur eine Versinnbildlichung? Mit gefühllosen Händen und kalten Kopfschmerzen von

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