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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Gebüsche auf dunklem Abhang, hinter denen hervor ein oder zwei Italiener schießen. Das ist aber bedeutungslos, wir allerdings laufen schon ein wenig. Dann wieder die Hochebene: Österreicher laufen den leeren Rand entlang, bleiben mit einem Ruck hinter den Sträuchern stehn, laufen wieder. Es geht offenbar schlecht, es wird auch unbegreiflich, wie es jemals gut gehen könnte, wie kann man, da man doch auch nur ein Mensch ist, Menschen, die den Willen haben sich zu wehren, jemals überwältigen. Große Verzweiflung, allgemeine Flucht wird nötig werden. Da erscheint ein preußischer Major, der übrigens die ganze Zeit über mit uns die Schlacht beobachtet hat, aber wie er jetzt ruhig in den plötzlich leer gewordenen Raum tritt, ist er eine neue Erscheinung. Er steckt zwei Finger von jeder Hand in den Mund und pfeift, so wie man einem Hund pfeift, aber liebend. Das Zeichen gilt seiner Ab teilung, die unweit gewartet hat und jetzt vormarschiert. Es ist preußische Garde, junge stille Leute, nicht viele, vielleicht nur eine Kompagnie, alle scheinen Offiziere zu sein, wenigstens haben sie lange Säbel, die Uniformen sind dunkel. Wie sie nun an uns mit kurzen Schritten, langsam, gedrängt vorbeimarschieren, hie und da uns ansehn, ist die Selbstverständlichkeit dieses Todesganges gleichzeitig rührend, erhebend und siegverbürgend. Erlöst durch das Eingreifen dieser Männer erwache ich.
    27 Juni 1919 neues Tagebuch, eigentlich nur weil ich im alten gelesen habe. Einige Gründe und Absichten, jetzt, 3/4 12, nicht mehr festzustellen.

    30 Juni (1919) Im Riegerpark gewesen. An den Jasminbüschen mit J. auf- und abgegangen. Lügenhaft und wahr, lügenhaft im Seufzen, wahr in der Gebundenheit, im Vertrauen, im Geborgensein. Unruhiges Herz.
      6.Juni (Juli 1919) Immerfort der gleiche Gedanke, das Verlangen, die Angst. Aber doch ruhiger als sonst, so als ob eine große Entwicklung vor sich gienge, deren fernes Zittern ich spüre. Zuviel gesagt.

      5 Dez. 19. Wieder durch diesen schrecklichen langen engen Spalt gerissen, der eigentlich nur im Traum bezwungen werden kann. Aus eigenem Willen gienge es allerdings im Wachen niemals.
      8 XII (1919) Montag Feiertag im Baumgarten, im Restaurant, in der Gallerie. Leid und Freude, Schuld und Unschuld wie zwei unlösbar in einander verschränkte Hände, man müßte sie durchschneiden durch Fleisch Blut und Knochen.
      9 XII (1919) Viel Eleseus. Aber wohin ich mich wende, schlägt mir die schwarze Welle entgegen.

    11 XII (1919) Donnerstag. Kälte. Schweigend mit J. im Riegerpark. Verführung auf dem Graben. Das alles ist zu schwer. Ich bin nicht genug vorbereitet. Es ist in einem geistigen Sinn so, wie es vor 26 Jahren der Lehrer Beck ohne allerdings den prophetischen Spaß zu merken, sagte: “Lassen Sie ihn noch in die fünfte Klasse gehn, er ist zu schwach, solche Überhetzung rächt sich später. ” Tatsächlich bin ich so gewachsen wie allzu schnell hochgetriebene und vergessene Setzlinge, eine gewisse künstlerische Zierlichkeit in der ausweichenden Bewegung, wenn ein Luftzug kommt; wenn man will, sogar etwas Rührendes in dieser Bewegung, das ist alles. Wie bei Eleseus und seinen Frühlings-Geschäftsfahrten in die Städte. Wobei man ihn gar nicht unterschätzen muß: Eleseus hätte auch der Held des Buches werden können, wäre es sogar wahrscheinlich in Hamsuns Jugend geworden.

      6 I 20 Alles was er tut, kommt ihm außerordentlich neu vor. Hätte es nicht diese Frische des Lebens, so wäre es dem Selbstwert nach, das weiß er, unvermeidlich etwas aus dem alten Höllensumpf. Aber diese Frische täuscht ihn läßt es ihn vergessen oder leichtnehmen oder zwar durchschauen, aber schmerzlos. Es ist doch heute unzweifelhaft dieser, der heutige Tag, an dem der Fortschritt sich aufmacht, weiter fortzuschreiten

      9 I 20 Aberglaube und Grundsatz und Ermöglichung des Lebens: Durch den Himmel der Laster, wird die Hölle der Tugend erworben. Aberglaube ist einfach
    10.I (1920)
    Die traurigen Folgen des Nachmittags (Baumgarten)

      Ein segmentartiges Stück ist ihm aus dem Hinterkopf herausgeschnitten. Mit der Sonne schaut die ganze Welt hinein. Ihn macht es nervös, es lenkt ihn von der Arbeit ab, auch ärgert er sich, daß gerade er von dem Schauspiel ausgeschlossen sein soll

    Es ist keine Widerlegung der Vorahnung einer endgültigen Befreiung, wenn am nächsten Tag die Gefangenschaft noch unverändert bleibt oder gar sich verschärft oder selbst wenn ausdrücklich

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