Tanz des Verlangens
Reißt dir die Kleider vom Leib.“
Ihr blieb fast die Luft weg. Sie erwog, seine Bekanntschaft mit der Zimmerdecke zu erneuern.
„Nun lauf schon, braves Geistchen. Oder habe ich dir noch nicht genug Reste hingeworfen?“
Mit einem letzten bösen Blick drehte sie sich um sich selbst und verschwand aus dem Zimmer. Verdammter Kerl! Sie wollte nicht allein sein! Nicht heute Nacht.
Warum wurden Männer bloß so wütend, nachdem sie ihre verletzliche Seite gezeigt hatten? Warum fiel es ihnen derartig schwer, auch einmal die Schilde herunterzunehmen? Es war ihr doch völlig egal, ob Conrad noch Jungfrau war oder nicht. Na ja, eigentlich stimmte das nicht, aber auf jeden Fall reagierte sie nicht so, wie er erwartet hatte.
Was wäre, wenn ich einfach zurückgehe und ihm gestehe, dass ich mich zu ihm hingezogen fühle – und dass diese Information meine Gefühle in keinster Weise mindert?
Damit er sie weiter anschreien konnte? Sie beleidigen konnte? War sie die Art von Frau, die sich lieber beleidigen ließ, als allein zu bleiben?
Auf keinen Fall.
Aber was sollte sie tun? Wohin sollte sie gehen? Conrads Bemerkungen hallten immer noch in ihr wider, während sie trübselig durch die Gänge ihres Heimes schlich.
Am Wochenende würden die Brüder alle gemeinsam fortgehen. Und sie … nicht. Néomi hatte schrecklich gerne an Versammlungen aller Art teilgenommen, sie hatte es geliebt, sich dafür herauszuputzen. Sie hatte schlichtweg alles geliebt, was eine soziale Komponente beinhaltete.
Sie rief sich all die Dinge in Erinnerung, die sie je erlebt hatte: Lagerfeuer am Golf, Hausbootpartys auf dem Mississippi, Mardi Gras mit anderen Bonvivants feiern, mit lebhaften, vergnügungssüchtigen Theaterleuten.
Einmal hatte sie sich am Unabhängigkeitstag in den Brunnen am Jackson Square gestürzt. Unter der Hitze des Feuerwerks und von den sanften Klängen des Jazz umgeben, hatte sie einen völlig fremden Mann geküsst. Seine Lippen hatten nach Absinth geschmeckt.
Auch ich war einmal stolz, der Mittelpunkt jedes Festes. Das war vorbei. Jetzt war sie sich nicht einmal mehr zu fein, wie ein mitleiderregender Hund um ein paar Krumen Aufmerksamkeit zu betteln.
Ihre Laune besserte sich ein wenig, als sie von unten eine Stimme hörte. Murdoch war noch nicht fort. Sie translozierte sich zu ihm und sah, dass er gerade eine Nummer auf seinem Handy wählte. Sie beschloss nachzusehen, ob in einer seiner Taschen vielleicht noch so eine hübsche Spange steckte.
„Heb schon ab, Danii“, murmelte er. Als Danii seinen Worten keine Folge leistete, schmetterte er seine Faust gegen die Wand.
Wenn irgendein Wroth noch ein einziges Mal mein Haus demoliert …
Er war so beschäftigt, dass er nicht das Geringste bemerkte, als sie seine Tasche durchwühlte …
Und einen Schlüssel herauszog.
Schon nach wenigen Stunden hätte Conrad sie am liebsten zurückgerufen.
Etwas in ihrem Gesichtsausdruck hatte ihn nervös gemacht. Ihre Miene hatte gewirkt, als ob sie zum Tod am Galgen verurteilt worden wäre – sie drückte zum Teil Angst, zum Teil Resignation aus. Ihre Augen waren so traurig gewesen, so ganz anders als ihr vorheriges fröhliches Auftreten, als sie ihn ausgerechnet nach Meerjungfrauen gefragt hatte.
Es war nicht ihre Schuld, dass sie Conrads beschämendes Geheimnis mitangehört hatte, aber genau so hatte er sie behandelt. Weil er es so leid war, sich ohnmächtig und hilflos zu fühlen, weil er es leid war, beides zu sein . Er stand kurz davor, seinen Stolz hinunterzuschlucken und nach ihr zu rufen, als er auf einmal etwas roch: brennende Kerzen und … Wäschestärke?
Seine Nackenhaare sträubten sich. Etwas ging vor sich. Etwas, von dem sie gewusst hatte, dass es sie erwartete. Sie hatte nur mit ihm zusammen sein wollen, weil sie sich gefürchtet hatte. Aber wovor?
Und er hatte sie grausam fortgeschickt, sie im Stich gelassen. Eine ungekannte Art von Schrecken stieg in ihm auf, so stark, dass es ihn durch und durch erschütterte. Ihm brach der Schweiß aus.
Néomi sollte niemals Angst haben müssen. Nicht, solange noch ein Rest von Stärke in seinem Körper war.
Seine Augen weiteten sich, als er Musik von unten heraufdringen hörte. Da stimmt was nicht. Ganz und gar nicht. Langsam geriet er in Panik, wiegte sich vor und zurück, riss an seinen Ketten, setzte all seine Kraft gegen den einen Arm ein. Wieder und wieder zog und zerrte er … bis er sich mit einem Ploppen die Schulter ausrenkte.
Das verschaffte ihm gerade genug
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